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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht aufgeben.
    »Ich mußte büßen, schon hier auf Erden«, flüsterte er. »Oder denkst du, im Himmel warten sie auf einen Mörder?«
    »Ich denke …«
    »Meinst du, ein Chor von Engeln mit Fanfaren steht zum Empfang bereit?«
    »Ich meine …«
    »Siehst du, deshalb gibst du mir recht«, unterbrach er sie schon wieder, ohne eine Antwort von ihr abgewartet zu haben. »Es ist also gut so, wie man mit mir verfahren ist.«
    »Und noch verfahren wird, meinst du das auch? Noch ist ja nicht alles schon vorüber.«
    »Du sprichst wohl vom bevorstehenden Gang zum Richtblock – oder?«
    »Ja.«
    »Leicht wird er mir fallen, glaub mir das.«
    »An deine Ehre denkst du gar nicht mehr, scheint mir.«
    Nun erst merkte er, daß sie auf ein bestimmtes Ziel losging, und deshalb fragte er sie: »Was willst du von mir?«
    »Im Morgengrauen rollt dein Haupt in den Staub, und dein Stolz regt sich nicht, dagegen bäumst du dich nicht auf?«
    »Nein«, antwortete er schlicht und unendlich müde.
    »Und deine Ehre?« Zum zweiten Mal kurz hintereinander fiel dieses Wort.
    Mit einem Lidschlag – die Hände hätten ihn zu sehr dazu geschmerzt – winkte er ab. »Die Ehre? Diese Mauern nähren Moos, nicht solche idyllischen Begriffe.«
    »Nein, diese Mauern sind ein Prüfstein deines Willens.«
    Fragend blickte er sie an, entdeckte ein Maß von Entschlossenheit in ihren Zügen, das nichts Menschliches mehr an sich hatte. Der Geist einer der großen Tragödien der Antike wehte durch den Raum. Ein Schwindelgefühl befiel ihn. Er mußte die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, raunte er: »Sprich schon, sag mir, wozu du hergekommen bist …«
    Sie nickte.
    »Der Marktplatz ist umsäumt«, begann sie, »in seiner Mitte erhebt sich auf einem Podium ein Block. Das Volk füllt dichtgedrängt die Stätte, und durch ein Meer von Beschimpfung, Bedrohung, von Flüchen, des Geifers, der Besudelung fährt dich der Henkerskarren zum Schafott. Du legst das Haupt auf diesen Block, der Pöbel johlt, der Scharfrichter hebt jetzt das lange, schwere Beil, er nimmt Maß, zielt, in der Menge mehrt sich der Tumult, da blitzt es auf, ein Schrei aus tausend Kehlen bricht sich ringsherum an den Wänden der Häuser, in deren Fenstern auch noch Schaulustige liegen, und dein Haupt ist in den Staub gerollt, du bist gerichtet.«
    »Ich weiß das alles«, sagte er.
    Unerbittlich jedoch fragte sie ihn: »Wie nennt man diesen Tod?«
    »Den Tod durch das Beil.«
    »Nein – Tod der Schande.«
    »Mich …«
    »Willst du so sterben?«
    »Was könnte mich davor bewahren?«
    »Willst du, oder willst du nicht?«
    »Nicht mein Wille ist gefragt.«
    »Doch!«
    Sie zitterte und mußte sich an eine der nassen Mauern lehnen, um sich noch länger aufrecht zu halten. Nur jetzt nicht niedersinken, nicht schwach werden, gilt es doch, einen Schwachen zu stärken. Nur jetzt nicht zeigen, was dein Inneres zerfrißt. Er darf nicht wissen, daß die Seele blutet bei jedem Wort und doch das Opfer fordert.
    »Es gibt einen Weg, dem Beil zuvorzukommen.«
    »Du meinst …«
    Das Wort erstarb ihm auf den Lippen, die Stimme versagte ihm.
    »Ich soll …«, nahm er einen neuen Anlauf, der ebenfalls scheiterte.
    Erst der dritte Versuch gelang.
    »Du denkst an einen Tod durch eigene Hand?«
    Ohne Zögern nickte sie. Ihm stockte der Atem. Doch zwischen Theorie und Praxis klaffte noch eine große Lücke.
    »Wie denn?« fragte er sie. »Kein Gift kann ich aus Steinen pressen; das Stroh läßt sich nicht flechten zum Strick, der mich tragen würde; zu verfault ist es; die Hose selbst zerrisse, würde mein Gewicht ihr zugemutet. Was kann ich anderes tun, als warten auf das Morgenrot?«
    »Du vergißt eines …«
    »Was?«
    »Mich.«
    »Dich?«
    »Ganz richtig, mich.«
    »Das verstehe ich nicht. Was willst du damit sagen?«
    »Meine Hand kann die deine sein.«
    Schweigen senkte sich herab. Er blickte sie mit großen Augen, in denen Fassungslosigkeit, ungläubiges Erstaunen, Entsetzen, aber auch Bewunderung lagen, stumm an.
    Sie kniete sich nieder zu ihm und sprach, als bete sie: »Ich habe nur gelitten an deiner Seite. Trotzdem hörte ich keinen Augenblick auf, dich zu lieben. Ich zog mit dir von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf, wurde verlacht, bespien, geschmäht vom Volk als Landstreicherin, Komödiantin – ich habe es ertragen. Den Staub der Straßen schluckte ich, Gras habe ich als Gemüse uns gekocht, nur weil wir leben wollten und nicht betteln – ich habe es ertragen. In widerwärtigen
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