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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schenken spülte ich die Gläser, das Geschirr in kaltem Wasser, die Hände sprangen auf, der Rücken schmerzte, raubte mir den Schlaf in der Nacht – ich habe es ertragen. Die Gäste, niedriges Geschmeiß, beleidigten mich, beschmutzten meine Frauenehre, belästigten mich lüstern, griffen mir unter den Rock und wollten mehr, ich wehrte mich und wurde in den Staub gestoßen – ich habe es ertragen. Die Geringste war ich in der Küche des Fürsten, wurde von einer Vettel aus Böhmen, die das Regiment führte, angetrieben, mit heißem Wasser begossen, geschlagen mit allem, was sie gerade in der Hand hielt – ich habe es ertragen. Den Geifer, die Schläge, den Spott, die Gier – alles, alles habe ich ertragen. Warum? Warum habe ich es ertragen? Fragst du nicht, warum? Die Antwort ist einfach: Weil ich dich liebte. Und nun fordert man das letzte Opfer noch von mir – dich selbst …«
    Sie verstummte kurz, blickte empor zur Decke, als wollte sie sie durchdringen bis hinauf zum Himmel, in dem Gott wohnte, und sie schloß: »Dazu sage ich NEIN!«
    Das klang wie ein eherner Schwur.
    »Du willst mich töten?« flüsterte er.
    »Ich will dich denen entreißen. Aber nur mit deinem Einverständnis.«
    »Wie willst du es tun? Mich erwürgen?«
    »Dazu fehlt mir die Kraft. Es würde auch zu lange dauern. Ich könnte dein langsames Sterben nicht mit ansehen. Es muß ein schneller Tod sein. Durch einen schnellen Stoß.«
    »Einen schnellen Stoß? Womit?«
    »Damit!«
    Ihre magere, blasse Hand glitt unter das schwarze Kleid, und als sie wieder zum Vorschein kam, blitzte ein Dolch zwischen ihren Fingern.
    »Nein!« stieß er hervor.
    Sie ließ den Dolch, den sie schon erhoben hatte, sinken. »Du versagst mir dein Einverständnis? Du hast Angst vor dem Eisen, das dich erlöst?«
    »Nein, nicht diese Angst ist es, die mich erfüllt.«
    »Welche dann?«
    »Sie würden dich foltern, wie sie noch nie einen Menschen gefoltert haben.«
    Ein kurzes, grimmiges Lachen stieß sie aus. »Wenn das deine Sorge ist, kannst du sie aus deinem Herzen verbannen. Einen Leichnam zu foltern hat noch keinem Genugtuung bereitet.«
    Er bäumte sich auf – wollte sich aufbäumen, besser gesagt. Der winzige Rest an Kraft, der ihm noch zur Verfügung stand, befähigte ihn aber dazu nicht mehr. Es blieb bei einem kläglichen Versuch, dann sank er wieder auf das Stroh zurück.
    Auch ein mündlicher Widerspruch wurde ihm verwehrt. Sie beugte sich nämlich schnell über seinen Mund und verschloß ihm diesen mit einem letzten Kuß.
    »Wir haben keine Zeit mehr«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Einen Rosenkranz zu beten hat man uns zugestanden. Diese Frist ist gleich vorüber. Ich begleite dich ins Jenseits, Geliebter, ich bin nur einen Schritt hinter dir …« Damit stieß sie ihm den Dolch ins Herz. Ein Seufzer erklang, ein Zittern ging durch die Gestalt des Dichters, dann war er tot. Ein Genie hatte zu Gott zurückgefunden.
    Zufrieden mit sich, im Einklang mit ihrem Gewissen, unbeirrbar vollführte seine Frau ohne das geringste Zögern das gleiche auch mit sich selbst.
    In der dumpfen Höhle des Schreckens aber sang ein himmlischer Chor, nur hörbar den Seelen, die heimkehren, die Hymne der Seligkeit vom Sieg des Herzens.
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