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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nassen Händen das wirre Haar aus der Stirn.
    Die Menge johlte.
    Ein grober Fuhrknecht wankte heran, blieb knapp vor ihr stehen, musterte sie mit geilen Blicken und sagte: »In der Not frißt der Teufel Fliegen. Das gilt für uns beide. Bist zwar nicht mehr die Schönste, aber von mir sagt man das gleiche. Wir passen also zusammen. Komm, ich bin stark, in meiner Kammer will ich dir das beweisen, von deinem Alten ist heute nichts mehr zu erwarten.«
    Unter Volksgegröle griff er nach ihrem Arm und zog sie hoch.
    Sie riß sich los, trat zurück.
    »Nein!«
    Er streckte wieder seinen langen Arm nach ihr aus, griff aber ins Leere und taumelte ein bißchen.
    »Rühr mich nicht an!« rief sie.
    »Warum nicht?«
    Darüber lachten alle.
    »Warum nicht?« wiederholte er.
    »Du bist besoffen!«
    »Lange nicht so bes … besoffen«, lallte er, »wie der hier.« Dabei zeigte er auf den Dichter am Boden. »Davon kannst du dich überzeu … zeugen, komm …«
    Schritt für Schritt wich sie zurück, Schritt für Schritt folgte er ihr. Hilfesuchend blickte sie sich um, erntete aber wieder nur erbarmungsloses Gelächter.
    Und dann schnellte seine Hand plötzlich vor und erwischte sie. Sie wand sich unter seinem eisernen Griff, konnte sich aber nicht mehr davon befreien, obwohl sie kratzte, biß und um sich trat.
    Das Gegröle im ganzen Raum erreichte seinen Höhepunkt. Davon erwachte der Dichter und sah den Ringkampf, der sich abspielte und eine ganz und gar einseitige Angelegenheit war.
    Infolge des Nebels in seinem Gehirn brauchte er ein Weilchen bis zur Erkenntnis dessen, was mit seiner Frau geschah. Überraschend schnell war er aber dann auf den Beinen und warf sich auf den betrunkenen, geilen Wüstling.
    Und nun wurde in wenigen Sekunden vom Fuhrknecht das nachgeholt, was eine Stunde oder zwei zuvor das Publikum vom Wirt erwartet hatte.
    Dichter, sogar besser ernährte, sind nur zum Duell mit geistigen Waffen geschaffen. Raufereien mit Fäusten gehen sie besser aus dem Weg. Für Fuhrknechte gilt das Umgekehrte.
    »Jetzt reicht's mir aber«, erklärte erbost der Wirt, nachdem alles ganz rasch vorüber war. »Raus mit euch!«
    Galt dies der Schar seiner grölenden Gäste?
    O nein, es richtete sich gegen den zu Boden geschlagenen Dichter und auch gegen seine Frau.
    »Raus mit euch!« wiederholte der Wirt. »Verschwindet! Und laßt euch nie wieder blicken!«
    »Warum?« fragte die Frau totenblaß.
    »Raus mit euch, sage ich zum letzten Mal!«
    »Ihr habt doch gesehen, was geschah.«
    »Was ich gesehen habe, war, daß sich ein armseliger Possenreißer, der keinen Kreuzer in der Tasche hat, an einem Gast von mir vergriffen hat. Das habe ich gesehen.«
    Ein letzter Funken der Empörung flackerte in ihr auf und gab ihr die Kraft zu antworten: »Der Gast hat sich wohl eher an meinem Mann vergriffen. Seht doch, da liegt dieser immer noch. Und zuallererst hatte er sich an mir vergriffen.«
    »Wollte dein Mann, der elende Kerl, ihm ans Leder – ja oder nein?«
    »Weil er glaubte, mich verteidigen zu müssen. Und das mit Recht!«
    »Dich verteidigen. Was denn verteidigen? Ihr seid Gesindel, und bei Gesindel gibt's nichts mehr zu verteidigen, merkt euch das. Dieser Ausspruch steht euch nicht zu.«
    Er blickte wieder einmal in die Runde und fragte ganz allgemein seine Gäste empört: »Habt ihr so etwas schon gehört?«
    Und dann war seine Geduld erschöpft. Er richtete sich zu voller Größe auf und sagte zu ihr: »Wie lange dauert das nun noch, bis ihr zwei verschwunden seid? Gleich mache ich euch Beine.«
    »Ich kriege noch Lohn von Euch«, sagte sie demütig. Der Funken der Empörung war erloschen.
    Er gab ihr ein paar Kreuzer.
    »Das ist nicht genug«, meinte sie. »Seid barmherzig.«
    »Ich bin mehr als barmherzig. Vergißt du den Krug, den zu zerbrochen hast?«
    »Den habt Ihr mir doch schon abgezogen.«
    »Wann?«
    »Vorige Woche.«
    »Hast du das schriftlich?«
    »Nein.«
    »Also lügst du. Soll ich den Büttel rufen? Dann werden wir sehen, wem geglaubt wird.«
    Da ließ sie alle Hoffnung fahren. Tränenlos bückte sie sich, half dem noch taumelndem Dichter, welchem vom Mundwinkel ein dünner, roter Faden den Hals hinunter in den schmutzigen Kragen lief, auf die Beine, stützte ihn, und so schlurften sie beide hinaus in die dunkle Nacht, von der sie keineswegs in die Arme geschlossen wurden, sondern die ihnen, wie allen armen Leuten, feindselig gesonnen war. Auf der Schwelle jedoch drehte er sich noch einmal um, blickte sie alle an
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