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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schaffen für die Zukunft. Oft aber ist der Weg steinig, unendlich steil, wenn man aus dem Nichts kommt, und es gehört auch noch das letzte Quentchen Willenskraft dazu, das eigene Licht zu entfachen und zu erhalten und nicht in der Zugluft der feindlichen Umwelt wieder verlöschen zu lassen.
    Im rauchigen, stickig-dumpfen Gastzimmer eines Dorfwirtshauses grölte das Volk nach vollbrachtem Tagewerk. Vier Stadien, in denen sich die Gäste befanden, gab's, wie immer, zu beobachten: lustig; angeheitert; betrunken; besoffen. Falscher Gesang aus rauhen Männerkehlen stieg empor zur Decke. Weiber kreischten. Hinter der Theke goß der fette Wirt, der ein gesticktes, abgegriffenes Käppi auf dem haarlosen Schädel trug, in große und kleine Humpen seinen Wein. Billig war letzterer in fast jeder Beziehung – nur in einer nicht: im Preis. Neben ihm, verhärmt, zum Erbarmen ausgezehrt, stand an einem Trog ein Wesen, das geschlechtslos schien und dennoch eine Frau war. Sie wusch unentwegt Krüge. Nicht die kleinste Pause gestattete sie sich; den kalten, scharfen Augen des Wirts wäre es nämlich nicht entgangen, wenn sie sich auch nur fünf Sekunden lang, wie er sich auszudrücken pflegte, auf die stinkfaule Haut gelegt hätte.
    Die Hände waren geschwollen, sie taten weh in dem kalten Wasser. Finger und Gelenke waren taub. Keiner Empfindung des Schmerzes jedoch durfte nachgegeben werden. Arbeiten war Geld, Geld war Leben.
    Manchmal blickte sie auf, ohne dabei ihren rastlosen Händen eine Pause zu gönnen, und warf einen scheuen Blick auf die grölende Menge im Raum, unter der sich, etwas abgesetzt in einer dämmrigen Ecke, der Halt ihres Lebens, so jämmerlich dieses war, befand – er, der Dichter.
    Dort saß er, einen Becher des allerbilligsten Weines vor sich, den Federkiel in der Hand, und schrieb. Er dichtete. Inmitten des allgemeinen Krachs war er der Welt entrückt, hatte er den Ort, an dem er weilte, ganz und gar vergessen.
    Ganz und gar vergessen hatte er auch, wozu ihm der halsabschneiderische Wirt den Wein spendiert hatte.
    Er dichtete. Vers um Vers floß ihm aus der Feder. Und merkwürdig: Nicht Traurigkeit füllte sein Herz, nicht davon lief ihm ausnahmsweise einmal der Mund, die Feder über, sondern er besang lautlos die frühlingsbunte Natur, gaukelnde Falter und helles Vogelgezwitscher; davon ausgehend, sah sein inneres Auge die Freude, das Glück, das er in Wirklichkeit nie besaß.
    Er hätte wissen müssen, daß ihn der Wirt nicht aus den Augen ließ. Schon runzelte dieser Kerl die Stirn, deren Knochen so dick war, daß er dem jedes echten Ochsen in der Tat hätte Konkurrenz bieten können.
    »Zum Teufel, wozu säuft der meinen Wein!« begann er zu schimpfen. »Ich werde ihm gleich in den Arsch treten!«
    Zutiefst erschrak die Frau am Spültrog.
    »Ich sage ihm Bescheid«, stieß sie hervor, sich die Hände an ihrer alten Schürze abtrocknend.
    »Du sagst gar nichts! Du machst hier weiter! Das besorge ich selbst!«
    »Ich muß sowieso auch schon längst austreten, wenn's erlaubt ist …«
    »Was mußt du?«
    »Austreten.«
    »Nichts da! Dafür bezahle ich dich nicht. Gestern mußtest du auch schon raus. Damit ist jetzt Schluß. Erledige das gefälligst vor Antritt deiner Arbeit oder danach.«
    »Ich bin erkältet.«
    »Was bist du? Sag das nicht noch einmal! Ich kann nur gesunde Leute brauchen, kranke jage ich zum Teufel!«
    Er kam einen Schritt auf sie zu.
    »Also, was ist, bist du erkältet oder nicht?«
    »Nein«, stieß sie ängstlich hervor und hatte die geschwollenen, aufgesprungenen Hände schon wieder im kalten Wasser, um Krüge zu waschen.
    Kurz darauf stand der Wirt, dieses Muster eines Arbeitgebers, das für die damalige Zeit eine ganz normale Ausgabe war, vor dem Dichter.
    »Und du«, fuhr er ihn an, »du glaubst wohl auch, ich bin ein Idiot, was?«
    »Nein, wieso?« antwortete der Dichter, der Mühe hatte, aus seiner Traumwelt zu erwachen.
    »Weil du dich auf meine Kosten satt säufst und frißt und …«
    »Zu essen habe ich heute noch nichts bekommen«, unterbrach den fetten Wirt der Dichter, dem der Hunger aus den Augen schaute.
    »Aber du wartest darauf! Und wo bleibt die Leistung dafür? Wozu habe ich dich ins Haus geholt?«
    Da der Dichter schwieg, beantwortete sich der Wirt seine Frage selbst: »Damit du den Gästen Spaß machst, verdammt noch mal!«
    »Gleich«, zwang sich der Dichter zu sagen. »In wenigen Minuten. Ich habe einen Einfall, den möchte ich noch schnell zu Papier bringen
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