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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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drohend den Knecht an, der sich abermals damit begnügte, zu sagen: »Ja, Herr.«
    Andererseits wußte der Knecht, daß er – und alle im Haus – mit Belohnungen zu rechnen hatten, wenn alles gutging.
    Wenn alles gutging …
    Der Herr blickte noch einmal die Tür an, hinter der sich das abspielte, was er ganz persönlich als sein ureigenstes Schicksal empfand, wandte sich ab und ging mit hängenden Schultern zurück in sein Zimmer.
    Und wieder hörte das Gesinde unten das Geräusch seiner Schritte durch die Decke dringen, hin und her, hin und her.
    Plötzlich fing die Köchin an, laut zu Gott um die Gesundheit ihrer Herrin zu beten. Und alle fielen ein …
    Die Zeit verrann unerträglich langsam. Minuten wurden zu Stunden, Stunden zu Ewigkeiten.
    Da … war das nicht ein Hasten, ein Stolpern über den Korridor? Alle horchten. Der Herr riß die Tür seines Zimmers auf, stürzte heraus und sah die alte Hebamme der Familie, die ihm selbst schon ans Licht der Welt geholfen hatte, auf sich zukommen. Sie erblickte ihn, ihr Gesicht blühte auf, und sie rief, so laut sie mit ihrer alten Stimme noch konnte: »Ein Junge, Herr, ein Junge!«
    »Ein Junge …«, stammelte er.
    »Ein kerngesunder Junge, Herr.«
    »Und meine Frau … was ist mit ihr?«
    »Auch die Herrin hat's glücklich überstanden.«
    Die Hebamme machte kehrt und trachtete, möglichst rasch ins Entbindungszimmer zurückzukommen, wo sie ja durchaus noch gebraucht wurde.
    Dem glücklichen Vater drohten die Knie weich zu werden. Er wankte, hielt sich mit der Hand an der Wand fest, setzte sich aufs nächste Fensterbrett. Das war die Reaktion auf das, was er in den vergangenen Stunden ausgehalten hatte. Er murmelte: »Lieber Gott, ich danke dir, ich danke dir. Ich werde eine Kapelle bauen lassen, das gelobe ich.«
    Vom Glück betäubt, blieb er noch ein Weilchen sitzen, dann erst sprang er plötzlich auf, rannte die Treppe hinunter zum Gesinde und verkündete jubelnd: »Ein Junge, Leute, ein kerngesunder Junge, sagte mir die Hebamme! Und eurer Herrin geht's auch gut!«
    Er lachte, lachte und versprach, daß ein großes Fest für alle steigen werde. Er nahm die Glückwünsche der Mägde und Knechte und des alten Dieners entgegen: Er schämte sich seiner Tränen nicht, die ihm über die Wangen rollten. Zwischen Lachen und Weinen drückte er jedem die schwielige Hand.
    Der Sommer kam und ein reifer Herbst, der einem harten, klirrenden Winter weichen mußte.
    Und wieder wurde es Frühling, die ganze Natur prangte, der Lenz ging über in einen heißen Sommer, dem ein bunter Herbst folgte, bis der Winter mit Eis und Schnee wieder scheinbar jegliches Leben unter sich begrub.
    Die Jahreszeiten kamen und gingen im ewigen Rhythmus der Natur, und wenig änderte sich im Heim des Handelsherren. Gewiß, der alte Diener starb, und der Hebamme fuhr die Gicht so sehr in die Beine, daß sie überhaupt nicht mehr gehen konnte und in ein Wägelchen gehoben und damit gefahren werden mußte, wenn beispielsweise die Osterbeichte in der Kirche fällig war. Das Geschäft aber lief in gewohnten Bahnen, und nichts hätte gezeigt, wie die Jahre vergingen, wenn nicht das Leben vor allem am Kinde selbst deutlich gemacht hätte, wie rasch, unheimlich rasch die Zeit an allen vorübereilte.
    Jetzt setzte der Kleine schon die ersten Schritte, tappend, noch unbeholfen, doch getrieben vom Urdrang, zu gehen, sich zu bewegen. Dann spielte er schon im Garten, riß lallend die ersten Blumen ab, stolperte hinter jedem Tier her, das vor ihm flüchtete. Schließlich sprach er sein erstes Wort – Mama. Der erste Klang, geboren aus der Einfachheit der nicht bewegten Zunge, und dann, schon schwieriger, ›Papa‹, weil die Lippen bereits zur Formung höherer Worte drängten, im Unterbewußtsein.
    Die Eltern standen glücklich dabei, sich in die Augen sehend, im Hochgefühl ihrer Herzen stolz bekennen könnend: Wir gaben auch dem Leben unseren Teil.
    Und dann – gibt es für Eltern auf Erden noch ein schöneres Wort als jene beiden, die ihre Augen leuchtend machen und ihre Seelen jubeln lassen, die beiden Wörter, die doch zu einem Wort verschmelzen und deren Heiligkeit ein jeder kennt, der es schon sprach: Unser Kind.
    Verblaßt vor diesem Klang nicht alles andere? Dem Vater ist das Wort höchster Stolz, der Mutter größtes Glück – nein, mehr, viel mehr: Der Mutter ist es Leben.
    Als der Sohn des Handelsherren die ersten Schritte setzte, da ging der stolze Vater hin und schrieb sein erstes und sein
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