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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Eine dumpfe Stimmung drückte im Haus des Handelsherren auf die Gemüter des Gesindes. Still standen die Mägde umher, Angst war ihnen von ihren Gesichtern abzulesen. Manche wischten sich mit Zipfeln ihrer Schürzen die Augen, in denen Tränen standen. Der alte Diener, das Faktotum des Herren, rang seine zittrigen Hände und bewegte die Lippen, als bete er heimlich, verborgen im Inneren, scheu vor Entdeckung.
    Durch die Fenster drang der fahle Schein der Abendsonne in die dämmrigen, mit schweren Möbeln ausgestatteten Patrizierzimmer. Das gebrochene Licht nährte die Last der Stimmung.
    Von oben drang durch die Balkendecke das Geräusch dumpfer Schritte, hin und her, hin und her, unentwegt, ohne Pause, seit zwei Stunden. Dort lag das Zimmer des Herren, den die Sorge umtrieb, den Angst quälte.
    Seine Frau wand sich in ihren Wehen. Jetzt läutete eine Glocke das Abendzeichen – und das erste Kind, der Erbe, war immer noch nicht geboren.
    Das erste Kind!
    Das erste?
    Auch das letzte!
    Im Kopf des Mannes jagten sich die Gedanken. Jawohl, auch das letzte sollte es sein, nie wieder sollte seine geliebte Gemahlin solche Schmerzen ertragen, nie mehr unter Stöhnen sich im eigenen Schweiße baden müssen … nie … nie … nie mehr!
    Ein eiserner Schwur war es, ein Schwur, millionenfach von Männern schon abgelegt … und allzuoft auch gebrochen. Solange die Erde Menschen trägt, haben die Frauen im Schmerz als Mütter sich vollendet, haben sie mit dem Willen Gottes in stundenlangem Stöhnen uns neues Leben aus ihrem eigenen geschenkt. Jede normale, gesunde Frau ersehnt sich diesen Opfergang, wohl wissend um die Pein, die ihr bevorsteht, doch glücklich, unendlich glücklich, wenn an ihrer Brust dann das Sinnbild ihres Lebens liegt. Aus diesem seligen Martyrium erhebt sich leuchtend die Erkenntnis unserer Welt: das Heiligtum der Mutter, dem gegenüber alles andere an Bedeutung zurücktreten muß.
    Doch daran jetzt denken, jetzt, da sich im Stöhnen Tod und Leben gegenüberstanden? Jetzt zu erkennen diese heilige Pflicht der Frau, die im Bett sich wälzte oder gar – zu schwach zum Widerstand – sich langsam in die Ewigkeit verströmte?
    Nein!
    Wild riß der Herr die Tür auf, stürmte durch den Korridor dem Zimmer zu, in dem sie durch sein Verschulden litt. Doch vor der Schwelle hielt der Knecht die Wache.
    »Herr, niemand darf hinein …«
    »Weg da! Wer will mir verweigern, meine Frau zu sehen?«
    »Der Arzt sagt …«
    »Der Arzt interessiert mich nicht! Weg!«
    »Herr, ich bitte Euch, ich stehe zwischen zwei Feuern, es geht ums Leben unserer Herrin.«
    »Eben deshalb! Mach endlich Platz, sonst …«
    Der treue Knecht rührte sich nicht von der Stelle. Zornbebend holte sein Herr aus, um auf ihn einzuschlagen.
    Da öffnete sich von innen die Tür. Im Rahmen stand der Medicus, klein, schmächtig, aber mit funkelnden Augen.
    »Was ist hier los?«
    »Ich will zu meiner Frau!«
    »Nein!«
    »Seid Ihr verrückt?«
    »Fragt Euch das lieber selbst!«
    »Mann!« schrie da der Handelsherr. »Was erlaubt Ihr Euch? Ihr seid in meinem Haus, vergeßt das nicht! Ich bezahle Euch!«
    »Brüllt nur so zu«, antwortete der Arzt, über die Schulter ins Zimmer zurückblickend, unbeeindruckt, »dann bleibt Euch das Honorar für mich erspart. Ich lasse mich nämlich, wie Ihr wißt, nur bezahlen, wenn der Patient nicht das Zeitliche segnet.«
    »Wie soll ich das verstehen? Meine Frau … stirbt sie etwa?«
    »Wenn Ihr meinen Anordnungen nicht Folge leistet, ganz bestimmt.«
    Taumelnd griff der Handelsherr um sich. Rasch trat der Knecht, der den Wortwechsel der beiden verfolgt hatte, neben ihn, um ihn zu stützen. Der Arzt aber ging zurück ins Zimmer, schloß die Tür und drehte deutlich hörbar innen den Schlüssel im Schloß.
    Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte der Hausherr auf die stumme Tür.
    »Kommt«, sagte der Knecht, ihn sachte am Arm nehmend, »ich führe Euch in Euer Zimmer.«
    »Nein«, widersprach der Herr, »du bleibst hier stehen, du verläßt keine Sekunde deinen Platz! Hast du gehört?«
    »Ja, Herr.«
    »Und wenn du einen einzigen Menschen an die Türklinke läßt, bist du des Todes!«
    »Ja, Herr.«
    »Außerdem bist du mir verantwortlich dafür, daß hier draußen kein lautes Wort mehr fällt.«
    »Ja, Herr.«
    »Du kennst mich, du weißt, daß ich nicht scherze, wenn ich sage, was dir blüht, falls du …«
    Es war nicht nötig, den Satz zu Ende zu sprechen, deshalb brach der Herr ab und blickte nur noch
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