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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hob die Geißel, die Geißel mit den Dornen an den Enden, und es schlug zu.
    Ein Krieg brach aus. Das Handelshaus begann zu wanken. Die Geschäfte kamen zum Erliegen. Jeder Austausch der Waren hörte auf. Ein Brand vernichtete die Faktorei nebst einem wohlgefüllten Lager.
    ›Nichts kann geschehen, was mich traurig macht …‹
    Nun, der Krieg ging zu Ende, die Geschäfte erholten sich wieder.
    Doch dann, als der Handelsherr schon wieder zu lachen lernte, kam das Schlimmste. Seine geliebte Frau starb an einer Pilzvergiftung. Und der Schuldige daran war der Sohn, der die Pilze in seinem geliebten, dreimal verdammten Wald gesammelt hatte. In diesem Lichte jedenfalls sah der Vater die Katastrophe.
    O Mensch, du hast gelästert, nun sieh die Strafe, die dir dafür zuteil wurde …
    Am Sarg seiner Frau kniete, in Tränen stumm, der Handelsherr, ihm zur Seite das Kind, verständnislos, erstaunt und sich fragend nach dem Grund der Trauer.
    Die Mutter schlief – warum denn weinen?
    Und da verwandelte sich – Mensch, frage nicht, warum – die Liebe des Vaters in Haß, einen Haß, der unwiderstehlich, urgewaltig aufloderte gegen denjenigen, in welchem der Kaufmann den Mörder seiner Frau sah.
    Zitternd vor Angst, blickte der Sohn auf seinen Vater, der wild die Faust hob und ihn verfluchte. Dem Alten kam der Verstand abhanden. Vater war er nun nicht mehr dem Sohne, sondern ein versteinerter Fremder. Und weinend, nicht verstehend, nahm der Kleine den Fluch auf sich.
    So war das Leben hart geworden. Eine Wand stand zwischen Vater und Sohn, die letzterem vier Jahre Bitternis und Tränen einbrachte, bis er dem Elternhaus ganz entsagen mußte. Der Vater konnte nämlich dann nicht einmal mehr den Anblick des eigenen Kindes ertragen.
    Der Kleine fand Aufnahme in einer Klosterschule. Er war nun zehn Jahre alt. Klosterschulen waren in jener Zeit so ziemlich die einzigen Schulen, die es schon gab. Gelehrt wurde in ihnen vor allem anderen harte Sittsamkeit, das Beten, das Fasten. Zur rechten Zeit mußte man sich auch kasteien. Von früh bis spät wurde in der Bibel gelesen. Die weltlichen Wissenschaften mußten dabei, das war ganz klar, zu kurz kommen. Am besten schnitten noch Latein und Griechisch ab. In diesen Sprachen wurden den Schülern ausreichende Kenntnisse vermittelt, damit sie in der Lage waren, auch alte Kirchentexte selbst lesen zu können.
    Die gelehrten Mönche, denen die Kinder anvertraut waren, schienen die Milde selbst zu sein. Sie blickten sehr gütig drein, aber das trog. In Wirklichkeit waren sie nämlich sehr streng und hart, und sie glaubten, diese Eigenschaften Gott schuldig zu sein. Sich selbst sahen sie allerdings manches nach. Sie aßen und tranken viel und gut, erreichten darin sogar sprichwörtliche Ausmaße, und auch das sechste Gebot wurde bei ihnen – gleich dem Fasten – nur klein geschrieben. Insofern erlagen sie laufend ihrer Natur, die eben eine menschliche war.
    Die Schule, durch die also der Sohn des Handelsherrn ging, mußte ihn bald seltsam anmuten.
    Sittsamkeit, was bedeutete das? Es bedeutete stets das Befolgen der Anordnungen, die von den Mönchen erlassen wurden. Sittsamkeit, das bedeutete das Bedecken des Körpers vom Hals bis zu den Zehen. Sittsamkeit schloß aus, daß ein bestimmtes Wort überhaupt je in den Mund genommen wurde. Welches Wort? Das Wort ›Weib‹.
    Frauen waren stets und ohne Ausnahme im Sprachgebrauch der Mönche nur ›Gefäße der Sünde‹.
    Dabei gab es eine kleine, unter Efeu verborgene Pforte in der Klostermauer, durch die nachts solche ›Gefäße der Sünde‹ auf Einladung des Abtes und so manches Paters schlüpften, um deren Zellen zu besichtigen, in denen dann paarweise der menschlichen Natur so sehr nachgegeben wurde, daß die hölzernen Bettstätten nur so krachten.
    »Die Tischler hobeln wieder«, hieß es dann hinter vorgehaltenem Mund seitens derer, die sich im Verzicht zu üben hatten, weil es ihnen aufgrund irgendwelcher Umstände an den nötigen Partnerschaften gerade fehlte.
    Und inmitten dieses Betriebes bewegte sich ein zehnjähriges, unschuldiges Gemüt.
    Eines Tages sah der Knabe im Klostergarten einen ihm fremden Vogel auf einem Ast sitzen, und er fragte einen Pater: »Sag an, Hieronymus, ist das ein Weibchen?«
    Hieronymus fuhr zusammen, war entsetzt und hastete zum Abt, dem er mitteilte: »Der Teufel ist in ihm, der Satan versuchte ihn im Garten!«
    Den Weinkrug absetzen und sich bekreuzigen war eins für den Abt. Dann eilte er mit dem Bruder
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