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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Einen Dreck wirst du! Entweder du spurst sofort, oder du fliegst! Verstehst du mich? Hast du vergessen, woher du kommst, wer du bist? Ein Possenreißer! Im Straßengraben fand ich euch, dich und dein Weib, dem Krepieren nahe, als ich mit Wein vom Lieferanten kam. Angefleht habt ihr mich, euch auf meinen Wagen klettern zu lassen, gebettelt um Arbeit habt ihr, und ich ließ mich erweichen. Mit deinem Weib bin ich einigermaßen zufrieden, aber nicht mit dir. Also los, tu endlich was, Schluß jetzt mit deinen Klecksereien!«
    Und damit riß er dem Poeten den Federkiel aus der Hand und schleuderte ihn in die Ecke. Auch das Geschriebene fegte er vom Tisch.
    Ein erregter Protestruf wurde laut. Der Dichter hatte ihn ausgestoßen. Er erhob sich von seinem Platz, ein böses Glimmen erschien in seinen Augen.
    »Sofort hebst du das wieder auf!«
    »Bist du verrückt, ich denke nicht daran!«
    »Heb das auf, oder es passiert etwas …«
    »Was denn?« fragte der dicke Wirt höhnisch.
    »Ich bringe dich um.«
    »Du schon, du Gerippe. Komm her, dann puste ich dich um, du Hungergestalt.«
    Ein Chor allgemeinen Gelächters ertönte. Die Gäste verfolgten gespannt die Auseinandersetzung zwischen den beiden und amüsierten sich.
    »Heb das auf!« sagte der Dichter ein drittes Mal, ungeachtet dessen, was ihm blühte.
    Jetzt erst fiel dem Wirt etwas anderes auf, und er fragte erregt: »Wie kommst du überhaupt dazu, mich zu duzen?«
    »Und wie kommst du mir gegenüber dazu?«
    »Ich bin dein Chef, und du bist ein Haufen Dreck, aus dem Straßengraben aufgelesener Dreck.«
    Nun war es soweit, daß das Faß überlief. Stille herrschte. Alle schauten gebannt zu. Der Angriff des Dichters mußte kommen, ohne Rücksicht darauf, was sich daraus für ihn entwickeln mochte. Der Wirt stand da und grinste. Sichtlich freute er sich der anstehenden Dinge.
    Doch er wurde enttäuscht. Ein Schrei ertönte in der Stille, als der Poet zum Sprung ansetzte; er stammte von seiner Gefährtin, die nun das Waschen der Krüge doch eingestellt hatte, vorübergehend wenigstens.
    Der Dichter blickte hinüber zu ihr, sah ihre Tränen, ihre doppelte Angst, einmal die Angst um seine Gesundheit und dazu die Angst um das armselige Unterkommen in diesem verfluchten Laden hier. Welche der beiden Ängste die größere war, dies frage man sich besser nicht.
    Kraftlos sank der Dichter in sich zusammen. Er wußte, daß er – wieder einmal – verloren hatte. Sich selbst die Dornenkrone aufsetzend, sagte er zum Wirt sogar: »Verzeiht, Herr, ich war von Sinnen.«
    Unendlich verächtlich blickte ihn der Wirt von oben bis unten an, wandte sich dann seinen Gästen zu und fragte sie, mit dem Daumen auf die Jammergestalt des Poeten weisend: »Habt ihr gesehen?«
    Hohngelächter erhob sich wieder, nur eine einsame Stimme der Vernunft war zu vernehmen, die rief: »Laßt ihn in Ruhe! Gebt ihm was zu trinken, wenn ihr wollt, daß er euch heute noch etwas bietet.«
    Das wurde von den meisten sogar eingesehen, und so schüttete man nun von allen Seiten Wein in ihn hinein. Auf seinen leeren Magen, den der Poet hatte, wirkte der Alkohol dementsprechend. Nicht lange, und dieses Publikum kam auf seine Rechnung. Schwankend begann der Dichter laut zu deklamieren, einen kleinen, lustig-blöden Vers:
    »Zu Tieren soll man liebend sein,
jedoch umarme mal ein Schwein
und erst 'ne Ziege, wenn sie spuckt,
küß mal 'nen Floh, wenn er dich juckt,
und einen Ochsen kos' ich nie auf Erden,
denn ich will nie ein – Rindvieh werden!«
    Laut lachten alle, klatschten in die Hände, prosteten ihm wieder zu. Sogar der Wirt schickte ihm auch noch einmal einen Krug Wein. Und der Dichter schritt zur zweiten seiner Darbietungen. Er blickte in die erwartungshungrigen Augen, zog eine Bibel aus dem Rock, hielt sie hoch und schrie:
    »Zur richtigen Zeit ein Buch im Arm,
ist wie das Rhizinus für 'n Darm!«
    Gewieher brauste auf, ein einziger Bravoschrei, nur zwei alte Leute in einem Winkel bekreuzigten sich, mit starren, ob dieser Lästerung entsetzten Augen auf den Dichter blickend. Dieser besann sich plötzlich noch einmal kurz, führte die Bibel an den Mund und stöhnte: »Herr, mein Gott, vergib mir alles, alles.«
    Dann schwanden ihm die Sinne, bewußtlos sank er zu Boden. Der Alkohol obsiegte leicht, da ihm von einem ausgehungerten Jünger der brotlosen Kunst keinerlei Reserven entgegengesetzt werden konnten. Erschrocken eilte die Frau hinter der Theke hervor, kniete bei ihm nieder und strich ihm mit
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