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Das Urzeit-Monstrum

Das Urzeit-Monstrum

Titel: Das Urzeit-Monstrum
Autoren: Jason Dark
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Es hätte alles so perfekt sein können, wäre da nicht dieses verdammt ungute Gefühl gewesen, das Harry Stahl schon seit einiger Zeit überkommen hatte. Deshalb blieb er stehen.
    Er war schnell gelaufen und keuchte, so daß in der Kälte der Atem vor seinen Lippen kondensierte.
    Harry Stahl hielt sich an der Wattseite der Insel Sylt auf, zwischen Keitum und Braderup. Er hatte das Eiland nicht im Sommer besucht, wo es überquoll von Touristen, sondern im Winter, einer Jahreszeit, die der Insel einen besonderen Reiz verlieh. Eigentlich erlebte man in diesen Monaten das wahre Sylt, und das wußten auch die Kenner der Insel, die seit Jahren immer wieder diesen Flecken besuchten, der durch den Hindenburgdamm mit dem Festland verbunden war.
    Stahls Atem hatte sich wieder beruhigt. Mit beiden Händen stellte er den Kragen seiner Jacke hoch. Die Kälte biß ihm ins Gesicht. Rechts von ihm lag das Watt. Eine weite Fläche unterschiedlicher Farbschattierungen.
    Vom totenbleichen Weiß in ein dunkles Grau übergehend.
    Bewegungslos. Vereist. Darüber dehnte sich der Winterhimmel, der so endlos erschien, als wollte er hinein in die Ewigkeit fassen. Er war nicht so sonnenklar, gab sich an diesem Tag leicht bedeckt und diesig, aber die Sonne war zu sehen, auch wenn sie wie ein gelbes Auge wirkte, vor das hauchdünne Lappen gelegt worden waren, um sie so verschwommen erscheinen zu lassen. Es war keine Sonne, die den Menschen Wärme gab. Im Winter wirkte sie wie der kalte Gruß eines gefährlichen Dämons.
    Vögel segelten durch die Luft. Auch sie flogen träge. Die Möwen schrieen um die Wette, als wollten sie nach jedem Flügelschlag ihren Protest über die Kälte abgeben. Auch die Vögel sahen grau und blaß aus. Sie paßten sich dem Wetter an. Es war windstill geworden.
    Glücklicherweise. Bei einem scharfen Wind aus West oder Nord wäre es Harry zu dieser Jahreszeit viel zu kalt gewesen.
    Aber auch so waren nur wenige Menschen unterwegs, nur zweimal waren dem Mann andere Gäste entgegengekommen. Zwei Frauen auf ihrem morgendlichen Ausritt und ein junges Paar auf der Wanderschaft.
    Beide trugen Rucksäcke.
    Eine Traumlandschaft. Erstarrte Welt. Eis und Kälte. Bewegungsloses Wasser, auf dem die Eisbrocken schimmerten. Auch das von Rauhreif überzogene Gras glitzerte in der Sonne.
    Es waren nur ein paar Schritte bis zum Beginn des Watts, und Harry Stahl drehte sich nach rechts, damit er den schmalen Pfad durchschreiten konnte, der ihn zu seinem Ziel führte. Noch herrschte Ebbe, aber die Flut würde bald kommen und das Eis wieder in Bewegung setzen. Dann würde es auch den gefrorenen Tang und all die Muscheln und Steine überspülen, die sich auf dem Boden abgesetzt hatten.
    Harry hörte das Knistern, als er das Gras zertrat. Ansonsten war es still wie in einer Kirche. Er schaute nach Norden, wo sich der Ort List befand.
    Dort gab es auch einen kleinen Hafen, ebenso wie an der Südspitze der Insel, in Hörnum. Von beiden Häfen aus fuhren die Touristenschiffe zu den umliegenden Inseln wie Föhr oder Amrum, aber auch ein Ausflug nach Dänemark war möglich.
    Harry zertrat die dünne Eisschicht einer Pfütze, und wenig später erreichte ein dumpfes Rauschen seine Ohren. Er kannte es. Das Geräusch stammte von einem der zahlreich fahrenden Züge, die über den Damm rollten.
    Es war alles perfekt. Es sah so wunderbar aus. Der Himmel, das Watt, einfach alles, aber da war noch das Gefühl. Dieser Hauch von Gefahr, den Harry einfach nicht unterschätzte. Und er war nicht zum Spaß auf die Insel gekommen, auch wenn es so aussah, als würde er Urlaub machen, aber er hatte einen Job zu erledigen, der verdammt gefährlich werden konnte.
    Es ging um einen Mann namens Karel Beckmann.
    Viel mehr als den Namen hatte man ihm nicht genannt. Er wußte nur, daß Beckmann in Keitum lebte, in einem wunderschönen Reetdachhaus.
    Ob er so harmlos war, wie er sich gab, das sollte Harry Stahl herausfinden, denn sein Arbeitgeber – im weitesten Sinne die Regierung – glaubte nicht daran. Beckmann hatte Dreck am Stecken, sehr viel Dreck sogar!
    Es hatte Zeiten gegeben, da war er für die Regierung tätig gewesen, aber das war lange her. Beckmann hatte sich auf die Insel zurückgezogen, um nach dem Quittieren seines Dienstes einem Hobby zu frönen, das er früher nur selten hatte wahrnehmen können. Er malte für sein Leben gern, und seine Bilder, von denen Stahl einige als Fotografien gesehen hatte, zeigten eine Düsternis, die einen Betrachter
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