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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hätte.
    »Tagedieb!«
    Zwei weitere Kerzen gaben ihren Geist auf; die allgemeinen Beleuchtungsverhältnisse minderten sich dadurch zusehends.
    »Betrüger!«
    Der Dichter hörte auf zusammenzuzucken. Eine Wandlung ging mit dem Poeten vor sich. Ein Funke glomm auf in seinen Augen.
    »Ist das deine Arbeit, die du leistest?« brüllte der Sekretär, der längst jede höfische Contenance verloren hatte. »Dieser Dreck? Dieser Scheißdreck? Dieses Ausgespiene eines kranken, verfaulten Gehirns?«
    »Herr …«
    »Friß es doch selbst, stopfe es zurück in deinen stinkenden Magen!«
    Mit diesen Worten versuchte der Hofschranze, der von Sinnen war, den von ihm rasch zusammengeknüllten Bogen dem Dichter in den Mund zu pressen. Der Poet wich zurück, doch der Sekretarius rückte jeden Schritt, den der Dichter tat, sofort nach, und seine Hand mit dem Kneuel stieß immer wieder ins Gesicht des Poeten.
    »Friß es! Ersticke daran! Schweine, die hungrig sind, fressen ihren eigenen Dreck!«
    Plötzlich blieb der Dichter stehen.
    »Schluß jetzt!«
    Der Hofschranze gehorchte nicht, seine Hand stieß trotzdem noch einmal zu. Es war das letztemal. Ein schneller, harter Schlag des Dichters, dem die bessere Ernährung am fürstlichen Hof wieder zu Kräften verholfen hatte, auf den Unterarm seines Gegners zerstörte das Weltbild des Hofschranzen.
    Sekundenlang war es still. Etwas Unvorstellbares hatte sich zugetragen. Dann füllte das Geheule des Hofschranzen den Raum.
    »Du wagst es, die Hand gegen mich zu erheben? Du Hund, du! Das wagst du wirklich, du Hund? Ich kann's nicht glauben, du Hund. Ich erschlage dich, du Hund, und befehle dir, dabei stillzuhalten, du räudiger, ganz erbärmlicher Hund …«
    Er riß eine der erloschenen Kerzen aus ihrem schweren silbernen Ständer, warf sie in die Ecke, packte den Ständer und schwang ihn, um ihn auf den Schädel des Dichters herniedersausen zu lassen.
    Das Vorhaben des Rasenden wurde vereitelt. Das Ganze lief sehr schnell ab, kaum konnte man ihm mit den Augen folgen. Der Dichter war rasch zur Seite getreten, der Schlag des Angreifers ging dadurch ins Leere, und ehe sich die Hand des Sekretärs noch einmal erheben konnte, um zu einem zweiten Hieb auszuholen, wurde ihr der Ständer vom Verteidiger entrissen.
    Der Hofschranze war von Sinnen, aber auch der Dichter war es nun. Statt einzuhalten und den Ständer, den er, der Dichter, erobert hatte, auf den Tisch zurückzustellen, statt den Gegner äußerstenfalls mit den Fäusten zur Räson zu bringen, schwang jetzt er den Ständer und schmetterte ihn dem Hofschranzen auf den Schädel. Der Schlag war von einer solchen Gewalt, daß keinen Augenblick ein Zweifel am Resultat, das er erzielte, bestehen konnte.
    Röchelnd stürzte der Sekretarius zu Boden und starb innerhalb weniger Sekunden. Sein Blut befleckte den schwarzen Seidenrock, in dem er steckte, und schädigte auch wieder den Teppich, dessen Muster sinnigerweise den Helden Siegfried darstellte, wie er sein Schwert dem Lindwurm in den giftigen Leib rannte.
    Starr stand der Dichter und blickte auf das, was er angerichtet hatte. Wut und Haß, die den Verstand in Urlaub geschickt hatten, erloschen in ihm. Als ihm die ganze Tragweite des Geschehens klar wurde, entrang sich ihm ein tiefes Stöhnen, das nur deshalb nicht zu einem Schrei des Entsetzens anschwoll, weil der Unglückliche selbst dazu zu entsetzt war.
    Ich bin verloren, dachte er dumpf, rettungslos verloren, und ich habe es nicht anders verdient; kein rascher, gnädiger Tod wird mir vergönnt sein, sondern einen langen, unerträglich grausamen Tod werde ich erleiden müssen. Wäre ich dem Schlag, der auf mich zielte, nicht ausgewichen, stünde ich jetzt schon vor dem Richterstuhl Gottes, und zwar als Opfer einer Bluttat, nicht als Täter. Zu dieser Gnade verhalf ich dem, den ich erschlug. Herausgefordert hat er mich zwar zu meiner Tat, doch das wird meine irdischen Richter, mit denen ich es zu tun bekommen werde, nicht milder stimmen.
    Ein Hund bellte im Schloßhof. Der Dichter horchte auf. Kam der Fürst von seiner Reise zurück, heute nacht schon, nicht erst morgen? Waren rollende Wagenräder zu vernehmen, die den Hund aufgeschreckt hatten?
    Nein, still wurde es wieder. Das Schloß setzte seinen Schlaf fort, der Sekretarius seinen ewigen.
    Ich sollte die Frist, die mir noch gegeben ist, nützen, dachte der Dichter, sollte fliehen. Aber wohin? Wohin ohne Pferd, ohne Geld? Außerdem würde das meinem armen Weib zum Verderben
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