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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gereichen. Sie würden sie an meiner Stelle in Bande schlagen, sie foltern und langsam töten. Und sie würde, überwältigt von unerträglichen Schmerzen auf der Streckbank, gepeinigt von glühenden Zangen, sterben mit einem Fluch auf den Lippen, einem Fluch, der mir, dem Schuldigen an ihrer Not, gelten würde. Nein, das kann ich nicht machen. Flucht ist mir verwehrt. Gott, steh mir bei!
    Und der Dichter ging und rief selbst die fürstlichen Wachen, die ihn ins Verlies warfen.
    Durch die dumpfen, düsteren Gänge des Verlieses hallten Schritte. Überall nistete hier das Grauen. Kleine, vergitterte, in den Stein gehauene Löcher gewährten spärlichem Licht Zutritt. Herzen stockten, Brüste wagten kaum zu atmen, Gefolterte stöhnten. In den Zellen verfaulten Unglückliche, denen die Tortur noch Reste des Lebens gelassen hatte. Oft kam es vor, daß Verstorbene noch tagelang in ihren Zellen lagen und ihr Leichenwasser ins Stroh sickerte; häufig wiederum passierte es auch, daß noch Lebende, die sich nicht mehr rührten, herausgezerrt und begraben wurden; solche Fälle zu bedauern wäre verfehlt gewesen, bedeutete doch die Beisetzung für die Opfer auf jeden Fall die Erlösung. Beisetzung hieß allerdings: verscharrt werden.
    Es war die Hölle. Und einige Stockwerke darüber jagten einander die rauschenden Feste am fürstlichen Hofe.
    Die Schritte kamen näher. Sie stammten von einem Wärter, an dessen Gürtel schwere Schlüssel klirrten, und von einem in Schwarz gekleideten, verhüllten Weib an des Wärters Seite.
    »Der Fürst gab dir die Erlaubnis zu diesem Besuch«, sagte der Wärter zu der Frau. »Das wundert mich. Habe ich noch nie erlebt. Er muß besonders guter Laune gewesen sein. Was mag er wohl gegessen oder getrunken haben? Einen zarten Fasan? Roten Wein aus dem Land der Franken? Normalerweise ist es nicht seine Angewohnheit, Todgeweihten eine solche Gunst zu gewähren. Dein Mann hat Glück. Und du hast dem Fürsten dafür hoffentlich auf den Knien gedankt.«
    »Ich hatte ihn auf den Knien darum gebeten«, lautete die Antwort des Weibes.
    »Ich verstehe es trotzdem nicht, denn darum wird er schon oft angefleht worden sein – vergeblich, wie ich schon sagte.«
    Der Wärter blickte auf die schwarze Gestalt, unter deren Hüllen nichts zu erkennen war.
    »Bist du jung und schön?« fragte er sie.
    »Nein.«
    »Hattest du noch einen Ring?«
    »Nein.«
    Der Wärter schüttelte den Kopf.
    »Das kapiere wirklich, wer will – ich nicht.«
    »Mein Mann ist ein Dichter«, sagte daraufhin das Weib mit einer Stimme, in der sogar etwas Stolz mitklang. »Dichter sehen Gott im Leben schon, im Tode reichen sie ihm beide Hände. Ich bin seine Frau, das letzte Irdische, was er besitzt. Der Fürst verstand und gab mir die Erlaubnis.«
    »Begreife das ein Philosoph«, brummte der Knecht in seinen Bart, der ihm struppig Wangen und Kinn bedeckte. »Gleich kommt die Zelle.«
    »Wieviel Zeit steht mir zum Abschiednehmen zur Verfügung?«
    »Die ihr beide braucht, um einen Rosenkranz zu beten, wurde mir gesagt. Das muß genug sein.«
    »Es ist genug zur Tilgung aller Schande«, kam es flüsternd zwischen den Schleiern hervor.
    Wieder schüttelte der Büttel den Kopf. Der fehlt wohl ein Rädchen, dachte er. Seine tagtägliche Umgebung, das, was er von früh bis spät und von spät bis früh sah und hörte, die Schreie der Gequälten, die letzten Seufzer der Sterbenden, das alles hatte ihn vollkommen abgestumpft, vertiert. Was Menschen fühlten, war ihm fremd, interessierte ihn nicht.
    Sie standen vor der Zelle, deren dicke Bohlentür mit einem gewaltigen Eisenschloß versehen war. An der Wand steckte in einem rostigen Ring ein Kienspan. Flackernd huschte dessen blasser Schein über die nassen Mauern und warf die Schatten des Paares zitternd auf die Quader. Fröstelnd zog das Weib das Schultertuch enger um den schmalen Rücken. Klirrend fuhr der Schlüssel in das Schloß, und quietschend, kreischend und knarrend öffnete sich langsam die schwere Bohlentür.
    Stumm, wandelnd wie im Traum, mit angehaltenem Atem, trat sie ein, und hinter ihr fiel schwer, ein dumpfes Echo weckend, die Pforte zur Freiheit wieder ins Schloß.
    An die Tür gelehnt, bewegungslos stand sie in der Zelle, um das Auge an die Dunkelheit zu gewöhnen. Allmählich gewann ihre schreckliche Umgebung Konturen.
    Unter dem einzigen Luftloch der Höhle lag auf einem Bündel faulenden Strohs der Dichter, halb entkleidet, mit geschlossenen Augen, flach atmend. Der
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