Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Titel: Sieben Siegel 10 - Mondwanderer
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
brummte Lisa. »Da können wir von Glück sagen, dass er kein Schweinezüchter war.« Eigentlich fand sie ihre Bemerkung nicht besonders komisch, aber Chris lächelte trotzdem.
    »Spürst du was?«, fragte er.
    »Was denn?«
    »Wir bewegen uns.«
    Tatsächlich, Lisa fühlte es auch. Sie schwebten, nein, sie rasten unter dem Lichtbündel entlang wie Passagiere einer unsichtbaren Seilbahn. Und sie wurden schneller. Immer schneller.
    Schließlich schossen sie in atemberaubendem Tempo dahin.
    »Chris!« Lisa schrie auf, als um sie herum mit einem Mal alles in blendende Helligkeit getaucht wurde, das Licht dann ebenso abrupt verblasste und sie sich wieder auf festem Boden befanden.
    Auf grauem, feinkörnigem Wüstenboden.
    So jedenfalls sah es aus. Selbst wenn all das nur eine Illusion war, wirkte es doch verblüffend echt.
    Sie standen auf der Oberfläche des Mondes.
    Oder mitten in der Hölle, je nachdem, wie man es betrachtete.
    In alle Richtungen erstreckte sich eine gewellte, graue Staubwüste. Der Himmel war rabenschwarz, selbst die Sterne waren verschwunden. Es war düster, viel dunkler als auf den alten Filmaufnahmen, die die ersten Astronauten mit zur Erde gebracht hatten und die manchmal im Fernsehen liefen. Lisa begriff schnell, dass sie sich auf der dunklen Seite des Mondes befinden mussten – oder einer magischen Kopie davon –, jener Hälfte der Mondkugel, die derzeit nicht von der Sonne beschienen wurde.
    »Da vorne«, sagte Chris und deutete voraus, »das sieht aus wie ein Krater. Das Licht verschwindet darin.«
    Etwa hundert Meter entfernt wuchs eine niedrige Schräge empor, nicht viel höher als der alte Bahndamm (auf dem sie vielleicht, vielleicht aber auch nicht, immer noch standen, gefangen in irgendeinem Zauber, der sein Schattenspiel mit ihnen trieb). Das verästelte Lichtbündel verlief nach wie vor über ihre Köpfe hinweg, um dann im Inneren des Kraters unterzutauchen.
    Hand in Hand machten sie sich auf den Weg.
    »Das ist nicht der echte Mond«, sagte Chris.
    »Ich weiß. Nur eine Illusion. Aber das macht es nicht unbedingt harmloser.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Chris runzelte die Stirn. »Aber die Vorstellung ist schon seltsam, oder? Wenn wir es nicht mit einem Doktor der Astrophysik zu tun hätten, könnte das hier genauso gut jeder andere Ort sein. Wäre der Dornenmann zum Beispiel in Herrn Fleck gefahren, wären wir vielleicht in einer riesengroßen Bibliothek, der größten, die man sich vorstellen kann. Und bei Kyras Tante wäre es wahrscheinlich eine Teeplantage, so groß wie ein ganzer Kontinent.«
    »Na ja, immerhin heißt es Mann im Mond, nicht Mann im Tee.«
    Chris musste grinsen und nickte dann widerwillig. Lisas Theorie konnte natürlich ebenso richtig sein wie seine eigene. Gut möglich, dass Karfunkel selbst gar nichts mit der Umgebung zu tun hatte.
    Sie waren jetzt noch etwa zwanzig Meter vom Kraterrand entfernt. Über ihnen erstrahlte das flirrende Lichtbündel auf einer festen Bahn ins Innere des Kraters. Aber woher kam es? Und zu welchem Zweck?
    Als Lisa und Chris die Schräge erreichten, umfassten sie gegenseitig ihre Hände noch fester. Lisa fragte sich, ob das wirklich nur an der Gefahr lag, in der sie schwebten. Doch sie verdrängte den Gedanken, so gut es ging, um sich auf das zu konzentrieren, was vor ihnen lag.
    Sie stapften durch lockeren Mondstaub den Kraterrand hinauf, als Lisa hinter sich etwas hörte. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass dies nur ein Traumbild des Mondes war, denn auf der echten Mondoberfläche gab es wegen der fehlenden Atmosphäre keine Geräusche.
    Sie hörte ferne Stimmen.
    Als sie sich umschaute, entdeckte sie drei Jugendliche, die völlig verwirrt und verängstigt im Staub standen, vor Panik beinahe unfähig, sich zu bewegen. Ein Mädchen weinte bitterlich. Es waren die drei Besucher, die nach ihnen in den Waggon geschleust worden waren. Nicht mehr lange, und es würde hier um einiges voller werden.
    Lisa wandte sich wieder nach vorn. Gleichzeitig mit Chris erreichte sie den höchsten Punkt des Kraterrandes. Anderthalb Meter über ihnen beschrieb der leuchtende Energiestrom einen sanften Bogen und floss über dem Zentrum des Kraters in die Tiefe.
    »Was –«
    Lisas Mund blieb offen stehen. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht das!
    Der Krater war riesig; es fiel schwer, seine Ausmaße in dem grauen Dämmerlicht genau abzuschätzen. Wie ein unendlich großer See war er mit etwas gefüllt, das Lisa im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher