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Shiva Moon

Shiva Moon

Titel: Shiva Moon
Autoren: Helge Timmerberg
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Das frage ich mich auch.» Die Antwort ist: Jeder hat eine Macke. Selbst Gandhi hatte eine. Und meine Macke ist, ich kann nicht reservieren. Weil ich keine Kreditkarte habe. Haha, sag mal an der Rezeption, egal wo in der Welt, dass du keine Kreditkarte besitzt. Nicht weil du arm bist, sondern weil du mal eine Bank betrogen hast. Genauso könntest du einem hübschen Mädchen sagen, du hättest zwar Aids, Mundgeruch und paranoide Phantasien, aber wärst ansonsten ein recht häuslicher Typ. «Sorry, Sir, fully booked.»
    Ganesha nahte, der Elefantengott, er ist der Schutzpatron der Diebe, Dichter und Händler, deshalb trage ich ihn als Amulett. Er ist aber auch der «Hüter der Schwelle» und der «Überwinder aller Schwierigkeiten», und gerade in der letzten Funktion war er hier gefragt. Ich knöpfte mein Hemd ein bisschen auf, und als der Mann Ganesha sah, kam er sofort hinter dem Tresen hervor, trat auf mich zu und küsste ihn. Erst dann fiel mir auf, dass im Foyer eine mannshohe Ganesha-Statue stand. Der Gott erfreut sich großer Beliebtheit in Indien. Er ist klein, dick, und er hat einen Elefantenkopf. Eine Ratte begleitet ihn. Als «Überwinder aller Schwierigkeiten» arbeitet er folgendermaßen: Entweder er spießt die Hindernisse mit seinen Stoßzähnen auf, oder er drückt sie mit seinem breiten Elefantenschädel zur Seite, oder er schickt seine Ratte los, umSchlupflöcher zu suchen. Ergebnis so oder so: Ich bekam das beste Zimmer. Es war fast so groß wie die Zimmer im «Imperial», aber es hatte eine Dachterrasse mit Blick auf den Mond.
    Für welche der drei Möglichkeiten, in Indien anzukommen, werde ich mich dieses Mal entscheiden? Ich weiß es während der Landung noch immer nicht. Jede der drei hat ihre Tücken, ich sagte es bereits. Die Nummer mit Ganesha muss nicht klappen, das «Imperial» bereue ich spätestens beim Auschecken (außerdem verdirbt es einen für alles, was noch kommt), und im Bahnhofsviertel wird bald eine Bombe hochgehen, aber das weiß ich bei der Landung noch nicht. Nein, ich kann mich nicht entscheiden, während ich am Gepäckband stehe, und als ich auf den Schalter für «Prepaid-Taxi» zugehe, kann ich es immer noch nicht. Es gibt eine vierte Möglichkeit, denke ich. Kollegen. Scarlet hat mich x-mal eingeladen, bei ihr zu wohnen, wenn ich in der Stadt bin. Sie wäre sogar beleidigt, wenn ich es nicht tue, und sie wäre es zu Recht. Aber sie hat einen grässlichen, geilen Hund namens Krishna (Gott der Liebe), der Sex mit meinen Beinen haben wollte. Beim letzten Mal.
    Ich glaube, es wird deutlich, dass ich öfter in Indien bin. Es ist meine zweite Heimat. Aber nicht eine, die auf die erste folgt, sondern eine für zwischendurch, eine für immer wieder, seit meinem siebzehnten Lebensjahr. Zweimal kam ich über Land, die anderen hundert Mal mit dem Flieger. Und immer Delhi. Da lernt man eben das eine oder andere Mitglied des «Foreign Correspondents’ Club» kennen. Zwei insgesamt. Der eine ist ein amerikanischer Fernsehjournalist, derin Indien seinen Frieden gefunden hat, die andere ist Scarlet. Von dem Amerikaner weiß ich, dass er zurzeit nicht in Delhi ist, sondern beim Dalai Lama in Dharamsala, weil er seinen Frieden inzwischen wieder verloren hat. So ist das Leben. Nichts hat Bestand. Sein Garten war ein kleiner exotischer Platz mit lauschigen Bänken, seine Frau war wunderschön, er hatte immer Haschisch und fast immer fabelhafte Gäste. Ach, Patrick, warum musste das geschehen? Warum musstest du deine Frau verlieren, an einen Australier, der auf Koh Samui lebte, wo sie nach einer Party ertrank? Mohani hatte schon immer Angst vor dem Wasser, jetzt ruht sie auf dem Grund des Pazifischen Ozeans, und du lungerst bei den Lamas rum und versuchst, ihre Schönheit zu vergessen, ihre Gutmütigkeit, ihr Lachen. Sie war eine Lichtgestalt mit pechschwarzen, hüftlangen Locken. Es ist manchmal aber wirklich zum Kotzen.
    «Nizamuddin», sage ich, als ich an dem «Prepaid-Taxi»-Schalter stehe. Die Sache mit den Prepaid-Taxis ist folgendermaßen: Als es noch die freien Taxis gab, die man sich vor dem Indira Gandhi Airport selbst besorgte oder besorgen ließ, verschwanden immer mal wieder Touristen, kurz nachdem sie gelandet waren, spurlos. Um das zu beenden, wurde ein Schalter im Flughafengebäude eröffnet, an dem man ein Taxi zugewiesen bekommt. Sie haben deinen Namen, sie kennen dein Ziel, und sie wissen, wer dich fährt.
    «Nizamuddin Station, Sir?»
    «No, Nizamuddin East.»
    «Five
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