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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper
Autoren: Nicholas Meyer
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seiner Reisen nach dem Tod seiner Nemesis Professor Moriarty geschah.
    Die Tage waren heiß und erfreulich lang; Holmes’ Bienenunternehmungen waren von Erfolg gekrönt, wie das unablässige Summen über unserem Grundstück bewies. Er war ganz in die Gewinnung seiner nächsten süßen Ernte vertieft, als ich so kühn war, zu ihm zu stoßen.
    »Hallo, Watson, was führt Sie an meine Arbeitsstätte?« wollte er gutgelaunt wissen. »Bewegen Sie sich ganz langsam, mein lieber Junge. Die Tiere kennen Ihren Geruch nicht.«
    »In dem Falle wäre ich überaus dankbar, wenn Sie mich, sobald es Ihnen paßt, an meiner Arbeitsstätte aufsuchen könnten«, erwiderte ich, während ich mich ängstlich umsah. »Mein Studierzimmer«, erklärte ich ihm, als ich sah, daß er nicht ganz verstand, was ich meinte.
    »Geben Sie mir fünf Minuten, um die Kleider zu wechseln, seien Sie so nett.«
    Zwanzig Minuten später hatte ich ihn soweit, daß er in einem Sessel gegenüber dem zerschundenen kleinen Holztisch saß, den ich mir für meinen eigenen Gebrauch ergattert hatte. Ich schenkte ihm eine Tasse Tee ein, in die er Unmengen seiner neuen Spezialität hineinrührte.
    »Also dann, Watson, was hat Sie zu meinen Bienenkörben getrieben?«
    »Neugier.«
    »Bezüglich meiner Bienen?« Ich sah, wie sich sein Gesicht aufhellte bei der Aussicht, mir meine Fragen beantworten und endlich seine Leidenschaft mit mir teilen zu können.
    »Bezüglich Ihrer Daten.« Daraufhin malte sich eine gewisse Enttäuschung in seinem Gesicht ab. Er schnitt eine Grimasse und streckte seine hagere Gestalt aus. »Holmes, ich muß darauf bestehen. Es gibt da ein paar Unregelmäßigkeiten, die mich zum Gespött der Leute gemacht haben. Nehmen sie zum Beispiel die Zeit zwischen 1891 und 1894.«
    Er lächelte und rollte die Augen.
    »Die sogenannten Verlorenen Jahre.«
    »Als Sie ihn verlassen haben, ich meine Professor –«
    » Moriarty «, warf er mit einigem Nachdruck ein. *
    »Na schön, nachdem Sie Professor Moriarty verlassen hatten. Sie haben mich mit dem denkbar unvollständigsten Bericht beehrt, was Ihre Taten während dieses Interregnums vor Ihrer Rückkehr nach London betrifft.«
    »Mein lieber Freund, wenn Sie darauf bestehen, ›Lama‹ mit zwei L zu schreiben, ist es wirklich nicht weiter erstaunlich, daß Ihre Leser sich fragen, ob ich wirklich in Tibet und nicht in Peru war. Meine Behauptung, den Hohen Lama getroffen zu haben, muß einfach absurd erscheinen, wenn Sie diese erlauchte Persönlichkeit wie ein südamerikanisches Säugetier schreiben. Dieselbe Schwierigkeit erhebt sich«, fuhr er fort und erwärmte sich für sein Thema, bevor ich etwas dagegen tun konnte, »wenn Sie Montpellier mit nur einem L schreiben – Sie und Ihre Ls , mein Lieber Watson! – und versuchen, Ihre Leser davon zu überzeugen, daß ich in Frankreich war und nicht in der Hauptstadt von Vermont.«
    »Das sind doch alles reine Ablenkungsmanöver«, protestierte ich. »Es herrschte gerade ein Bürgerkrieg, als Sie angeblich den Kalifen in Khartoum getroffen haben wollen. Also wirklich, ich meine, ich hätte ein Recht, die Wahrheit zu wissen. Was für ein Biograph ist das, der wissentlich solche Entstellungen in sein Werk einstreut?«
    »Da sprechen Sie ein sehr verzwicktes Problem an, wenn ich so sagen darf«, antwortete er mir mit einem Augenzwinkern. »Irgend jemand hat mal gesagt, daß eine Biographie von einem Feind geschrieben werden sollte.«
    »Sie haben sich immer noch nicht meiner Frage zugewandt. Womit haben Sie sich während dieser Jahre wirklich beschäftigt?«
    Er sah mich einige Augenblicke lang an, während er die Spitzen seiner Finger aneinanderlegte, wie er es immer tat, wenn er zuhörte oder nachdachte. Ich hatte Angst, ihn zu unterbrechen, während er meine Bitte erwog, denn ich wußte sehr wohl, daß eine einzige unglückselige Bemerkung dazu führen konnte, daß er sich wie eine Muschel verschloß. Daher hielt ich den Atem an und hoffte, endlich zu erfahren, was ich schon so lange hatte wissen wollen.
    »Das kann doch kaum von Interesse für Sie sein«, sagte er nach einer ganzen Weile.
    »Sie belieben zu scherzen? Sie wissen sehr gut, daß es für mich von ganz entscheidender Bedeutung ist.«
    Er hielt abermals inne und fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen. Er war keineswegs darüber erhaben, in solchen Angelegenheiten ein wenig zu kokettieren. Was mich betraf, ich versuchte, eine gleichgültige Miene aufzusetzen, während ich darauf
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