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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper
Autoren: Nicholas Meyer
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der akademischen Welt, da, wo diese Dinge eigentlich für uns alle gehegt und gepflegt werden sollten.
    Genug davon.
    Einige Worte zu dem Manuskript selbst.
    Seit der Entdeckung des sogenannten Swingline-Dobson-Textes 1970 hat eine ganze Heimindustrie von ›neuentdeckten‹ Watsonschen Manuskripten das Feld der Sherlockianischen Studien übersät. Einige davon mögen authentisch sein, andere sind es mit Sicherheit nicht. Die enthusiastischen Fälscher stehen in ihrem kreativen Eifer nur noch hinter den Autobiographen Howard Hughes’ und denjenigen zurück, die Hitlers Tagebücher verfaßten.
    Das Hauptproblem, das jeder Watsonsche Text aufwerfen muß, ist natürlich die Frage der Authentizität. Im Falle des vorliegenden Manuskriptes, das unter dem Namen Der Gesangmeister bekannt ist, wird die Frage nach der Urheberschaft durch eine Anzahl von Faktoren kompliziert.
    Zunächst einmal haben wir es hier, obwohl Papier und Tinte dem damals Ortsüblichen entsprechen und das Manuskript unzweifelhaft in Watsons Handschrift geschrieben zu sein scheint * (und zwar auf einer ziemlich rauhen Oberfläche), keinen Fall vor uns, in dem Watson entweder als Zeuge oder als Beteiligter in Erscheinung tritt. Watsons Text ist anscheinend ganz oder teilweise von Holmes selbst diktiert worden, so daß sich die Frage nach der Erzählperspektive nicht mehr eindeutig beantworten läßt. Daher entfällt eine der entscheidenden Methoden, mittels welcher die Forscher auf dem Gebiet der Sherlockiana einen Originaltext zu identifizieren trachten. Die Erzählperspektive Holmes’ ist nicht die Erzählperspektive Watsons, und obwohl ein Fall, der von Holmes selbst erzählt wird, nichts Einzigartiges wäre (›Die Löwenmähne‹ fällt einem sofort als weiteres Beispiel ein), bringt er doch Unterschiede in der Stilistik mit sich, die jeden, der eine definitive Authentifizierung vornehmen möchte, nur in Erstaunen versetzen können.
    Genauso schwierig ist es indes, einen Beitrag Watsons völlig auszuschließen. Wie ich bereits erwähnte, wurde das Manuskript von seiner Hand niedergeschrieben, und es gibt daher keine Möglichkeit, herauszufinden, in welchem Ausmaß der Doktor Änderungen vorgenommen, gekürzt oder Holmes’ Geschichte auf andere Weise bearbeitet hat. Ich habe keine Vorstellung, warum es niemals mit der Maschine abgeschrieben wurde (was zweifellos noch mehr Korrekturen und Änderungen durch Watson zur Folge gehabt hätte). * Holmes war möglicherweise schon nicht mehr greifbar und bereits wieder in neuer Mission unterwegs, bevor Watson (der die Fragen gestellt zu haben scheint) Gelegenheit hatte, eine Reihe noch offener Fragen zu klären. Das Manuskript bricht mit der plötzlichen Ankunft von Herbert Asquith ab, und Watson mag vielleicht gehofft haben, es später einmal vollenden zu können – nur daß es kein Später mehr gab.
    (Was diese Fragen angeht, so ist es unmöglich zu sagen, bis zu welchem Grade Holmes typischerweise editorische Kontrolle über die Watsonschen Texte ausübte. Einerseits soll er ständig Watsons Anstrengungen herabgesetzt und wegen ihres reißerischen Inhalts und ihres Mangels an reiner Logik verspottet haben – ›sie haben den gleichen Effekt, als wenn man eine Liebesgeschichte oder eine Räuberpistole in den fünften Satz des Euklid einarbeitet‹ –, aber andererseits ist es offensichtlich, daß Watsons Berichte mit dem Einverständnis von Holmes veröffentlicht wurden. Holmes mag durchaus, wie viele andere Berühmtheiten auch, der Verbreitung seines Ruhmes stillschweigend Vorschub geleistet haben.)
    Was die Niederschrift selbst anbelangt, so gibt es zu der Frage, ob Watson sich darauf beschränkt hat, Diktat aufzunehmen, widersprüchliche Hinweise. Teile des Manuskripts zeigen deutliche Spuren einer hastigen Niederschrift; die Schrift ist fast unleserlich und enthält Abkürzungen und andere Symptome, die offenbar aus der Not des Augenblicks geboren wurden und auf eine Art improvisierter Kurzschrift hindeuten, mit der vielleicht der Notwendigkeit entsprochen wurde, mit dem Sprecher Schritt zu halten. An anderen Stellen jedoch deuten sowohl die Schrift als auch der Stil der Prosa darauf hin, daß hier nicht unter Zeitdruck geschrieben wurde, und diese Passagen könnte Watson durchaus ›verfaßt‹ und nicht nur lediglich nach Diktat geschrieben haben.
    Ein Wort noch zu den ›Amerikanismen‹. Ich habe mich schon in meiner Einleitung zu dem als The West End Horror bekannten Manuskript
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