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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper
Autoren: Nicholas Meyer
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wartete, daß ihn irgendeine Laune in die eine oder andere Richtung treiben würde.
    »Es ist gewiß ein wenig verworrener als ich bisher verraten haben«, sagte er widerwillig und griff nach seiner Teetasse. »Wir sprechen über drei Jahre«, fügte er hinzu, als wolle er sagen: »Sie können kaum von mir erwarten, hier zu sitzen und Ihnen Bericht zu erstatten über die Ereignisse dreier voller Jahre.«
    »Wenn Sie mir nur eine grobe Vorstellung davon geben könnten, was wirklich geschehen ist«, kam ich ihm entgegen, »oder mir wenigstens alles erzählen würden, was von besonderem Interesse ist. Es braucht nicht eher veröffentlicht zu werden, als Sie es für richtig halten.« Diese letzte Bemerkung hatte das Ziel, ihn endlich zu überreden, wie es mir in der Vergangenheit schon einige Male gelungen war.
    »Wenn Sie bitte so freundlich sein würden, mich nicht mit einer solchen Herablassung zu behandeln, Doktor«, sagte er. »Ihre kleinen Tricks sind mir nicht neu.«
    Nichtsdestoweniger hatte er begonnen, seine Pfeife mit Shag-Tabak zu füllen, und ich spürte, wie die Spannung zwischen meinen Schultern nachließ. Zigaretten waren der Konversation vorbehalten; die Pfeife signalisierte, daß eine Geschichte bevorstand. Ich hatte die Beziehung zwischen beiden oft genug miterlebt, um ihre Bedeutung zu kennen.
    »Ich werde Ihnen von einem Teil meiner Reise berichten«, begann er schließlich, ganz im Stil der Scheherazade. »Es mag sein, daß Sie mich eines Tages in Versuchung führen können, Ihnen noch weitere Einzelheiten zu offenbaren.«
    »Ich bin gespannt«, sagte ich und legte meinen Füllfederhalter und Schreibpapier vor mich hin.
    »Es war eine seltsame Angelegenheit«, fuhr er fort und heftete seinen Blick auf die Decke, als hätte er mich bereits vergessen. »Ein Teil davon war, soviel steht fest, voller Komik; andere Teile dagegen waren so tragisch, daß sie sogar unter den Augen von Aristoteles Gnade gefunden hätten. Ich gestattete mir den Luxus, mich erpressen zu lassen, und machte dazu noch einige andere schwerwiegende Fehler. Insgesamt ein unverzeihlich schlechtes Benehmen in einem der einzigartigsten Fälle, zu denen ich jemals hinzugezogen wurde.«
    »Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie in dieser Zeit überhaupt Fälle übernommen haben.«
    »Seien Sie versichert, daß ich mich für diesen einen Fall um nichts in der Welt freiwillig gemeldet hätte«, bemerkte er mit ausdruckslosem Gesicht und schloß die Augen. »Sie haben mich sagen hören, daß ein Arzt, der auf die schiefe Bahn gerät, der Fürst unter den Verbrechern ist, * mein lieber Freund, aber ich versichere Ihnen, daß ein Arzt nichts ist im Vergleich zu einem Verrückten.«
    »Sie machen mich neugierig.«
    Er öffnete die Augen und schenkte mir ein gewinnendes Lächeln.
    »Was in meiner Absicht lag, mein lieber Watson.«

KAPITEL EINS

    Rückkehr ins Leben

    »Zu den ersten Dingen, die mir nach Reichenbach klar wurden, mein lieber Watson, gehörte die Tatsache, daß niemand auch nur im Traum daran dachte, ich könnte noch am Leben sein. * Dank des Berichtes, den Sie abgefaßt hatten, mein lieber Freund, hatte die Welt allen Grund, mich tot zu glauben, und das gab mir die vom Himmel geschenkte Möglichkeit, einen neuen Anfang zu machen, eine Chance, die nur wenigen von uns in diesem Leben vergönnt ist.
    Was für eine köstliche Aussicht, um so mehr, als sie so unerwartet kam! Eine Laune des Schicksals hatte mich in eine einzigartige Position versetzt, und als ich ihre verblüffenden Konsequenzen überdachte, wurde mir geradezu schwindelig, und eine beinahe kindliche Ausgelassenheit überkam mich in Anbetracht der vielen Möglichkeiten, dir mir plötzlich wieder offenstanden.
    Ich hatte eine Zeit enormer persönlicher Schwierigkeiten hinter mir, und ich glaubte, einen kleinen Urlaub durchaus verdient zu haben, ein paar Wochen, in denen ich es mir gestatten wollte, mich von meinen Launen treiben zu lassen und in den (für mich) berauschenden Freuden der Anonymität zu schwelgen. Gewiß, eine Zeitlang hatte ich den Applaus der Menge genossen, dank Ihrer lebendigen, wenn auch unvollständigen Berichte, mein lieber Watson., Es stimmt allerdings auch, daß Berühmtheit mit der Zeit zu einem Fluch werden kann, einem Fluch, der schwer auf den Schultern desjenigen lastet, der unter dieser Last dahinwankt. Vielleicht war es mir nicht einmal aufgefallen, wie sehr ich mich bereits unter diesem Joch beugte, bis ich mich plötzlich der Möglichkeit
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