Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Serum

Serum

Titel: Serum
Autoren: R. Scott Reiss
Vom Netzwerk:
Recherchen kam es gestern Nacht bei Naturetech zu einem Überfall, bei dem der gesamte Vorrat an Gegengiften gegen chemische Kampfstoffe zerstört wurde.«
    »Die Droge war kein Gegengift!«
    »Was ich mich frage«, nahm der Chefredakteur den Faden wieder auf, »woher wollen Sie wissen, dass wir nicht auch in diese schreckliche Verschwörung verwickelt sind? Wie so viele andere?«
    Ich spürte, wie mein Blut langsam aus mir heraussickerte.
    »Ja, diese Verschwörung« ,meinte der Redaktionsleiter, als gäbe es keine Verschwörungen und hätte nie welche gegeben. Als wären Danny, Gabrielle und ich drei aus der Klapsmühle entsprungene Psychopathen, denen man besser ihren Willen ließ, bis die Männer mit den weißen Kitteln kamen und sie wieder in ihre Zellen verfrachteten.
    Gabrielle sagte: »Wir wissen, dass Sie nicht dazugehören, weil wir es sonst gespürt hätten. Wie gesagt, darum sind wir persönlich hier erschienen. Damit wir Sie sehen können.«
    »Ach so, natürlich«, sagte der Redaktionsleiter spöttisch, »weil Sie unter dem Einfluss der Droge stehen. Jetzt, in diesem Augenblick.«
    Danny streckte ihm sein Handgelenk entgegen, um den purpurroten Ausschlag zu zeigen. Bei Gabrielle saß er unter dem Kinn. Aber jedes Kind konnte das mit Theaterschminke hinbekommen. Sie glaubten uns nicht. Vor einem Monat wäre es mir noch genauso gegangen.
    Die Stimmen erreichten mich wie aus weiter Ferne. Plötzlich hob sich die Kältedecke wieder von meinem Körper, und ich schwitzte aus allen Poren.
    »Wenn Sie die Geschichte heute nicht drucken, wird man Sie später daran hindern.« Ich konnte kaum noch meine eigene Stimme hören. »Mit Gewalt, Drohungen oder mit Hilfe der Gerichte. Aber so wird es kommen.«
    Die Journalisten lehnten sich zurück und lächelten wissend. Sie gehörten zu den einflussreichsten Reportern der Welt. Wenn sie wollten, wenn sie wollten, dass etwas veröffentlicht wurde, konnte das niemand verhindern. Wenn sie Beweise hatten. Sie fürchteten sich nicht vor Anwälten oder dem Gefängnis. Sie hatten keine Angst vor Gott, Präsident und Vaterland. Sie hatten nur Angst, sich zum Gespött zu machen.
    Ich erhob mich mühselig zu voller Größe. Es war Zeit, die letzte Karte auszuspielen. Ich sagte: »Was, wenn wir es Ihnen beweisen könnten, hier und jetzt, dass 109 existiert? Dass all unsere Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Wenn Sie das glaubten, wenn Sie das wüssten, würden Sie dann heute unsere Version der Geschichte veröffentlichen?«
    Nach kurzem Schweigen meinte der Chefredakteur: »Ja, selbstverständlich.«
    »Falls Sie es beweisen könnten«, fügte der Redaktionsleiter hinzu.
    Ich sah Gabrielle und Danny an. Gleichzeitig streckten wir die Hand aus und schoben unsere unberührten Gläser in die Tischmitte.
    Ich zog die Hand aus der Tasche und präsentierte den Redakteuren die blauen Kapseln mit synthetisiertem 109, die ich bei Naturetech hatte mitgehen lassen.
    Ich war am Ende. Mir wurde schwarz vor Augen.
    Ich sagte: »Das ist der zweite Grund, warum wir persönlich gekommen sind. Schlucken Sie sie. Jetzt.«

26
    E
    ines heißen Augusttags genau drei Jahre später verbrachte ich einen beschaulichen Nachmittag in meinem Garten bei der Tomatenernte. Es war ein klarer Tag, kein Smog von Brooklyn her, und ich hatte die Anlage im Haus laut genug aufgedreht, um hier draußen Musik zu hören. Der Himmel war blau. Kinder radelten auf der Straße vorbei. Der Duft von fruchtbarer Erde und Pflaumentomaten an gutgepflegten Rispen stieg mir in die Nase. Vielleicht würde ich heute Abend eine Tomatensoße kochen, nichts Besonderes, einfach Tomaten aus dem eigenen Garten. Gerösteter Knoblauch. Feingeschnittene Schalotten. Dazu frisch geriebenen Pecorino und einen Spritzer Olivenöl.
    Ich würde mit Chris zu Abend essen, Kims Sohn, meinem Adoptivsohn. Er lebte jetzt bei mir.
    »Und jetzt zu den Nachrichten«, sagte eine Stimme aus dem Radio.
    Es war merkwürdig, plötzlich einen Sohn zu haben. Er erinnerte mich ständig an Kim, ihre Art zu reden und ständig die Nase ins Buch zu stecken. In seiner Liebenswürdigkeit. In seinem gerechten Zorn. Ein Teenager brachte Leben ins Haus. Das war schön.
    Im Moment war er mit neuen Freunden aus der Nachbarschaft am Strand. Devil’s Bay hatte ihn mit offenen Armen aufgenommen, als die Nachricht vom schrecklichen Tod seiner Mutter die Runde machte. Trotz seiner Trauer um Kim gefiel ihm der hiesige Lebensrhythmus. Er vermisste Manhattan nicht. Einmal hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher