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Serum

Serum

Titel: Serum
Autoren: R. Scott Reiss
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B-Flügel warteten immer noch die zwei Soldaten, von denen Gabrielle berichtet hatte.
    Ich schaltete das Mikrophon ein. Es war nicht schwer, Panik zu simulieren. Ich verstellte meine Stimme, damit sie wie die eines der Männer klang, den ich gerade gehört hatte. Ein Brooklyn-Akzent, kein Problem für mich. Ich musste mir nur Devil’s Bay ins Gedächtnis rufen.
    Ich schrie: »Hinterhalt! Alle zurück ins Labor! Sie verstecken sich im Labor. Wir haben sie übersehen! «
    Ich feuerte mein Gewehr ab, damit sie die Schüsse hörten. Ich rief: »Alle hierher! Alle! Ins Labor! Ins Labor!«
    Ein Tumult wurde laut. Eine Menge Stimmen redeten durcheinander. Eine sagte: »Das war nicht ich!« Der Rauch wurde dichter, und Danny und ich husteten. Ich hatte keine Bestätigung meines Befehls von Colonel Otto gehört.
    Vielleicht hatte der Bluff nicht funktioniert, aber wir mussten uns trotzdem auf die Socken machen.
    Mit aufgesetzten Nachtsichtgeräten rannten wir den Korridor entlang zum Hinterausgang. Falls die Soldaten über den B-Flügel kamen, statt außen herum zu laufen, würden wir schießen.
    »Ins Labor! Er sagte ins Labor!«, schrie eine neue Stimme in meinem Ohrhörer.
    Es funktionierte!
    Dann fiel Ottos Stimme ein. »Wir sind im Labor, aber hier ist keiner.«
    Danny und ich hatten den Ausgang erreicht. Griffen zum Türknauf.
    »A-Flügel! Sie sind im A-Flügel!«, brüllte Danny in sein Mikrophon.
    Wir rissen die Tür auf. Otto wütete im Ohrhörer und verlangte zu wissen, welcher Idiot grundlos eine Panik ausgelöst hatte.
    Ich sah hinaus. Die Morgendämmerung war immer noch nicht angebrochen. Das Licht war grau und düster. Ich konnte keine Soldaten entdecken, aber das hieß nicht, dass uns nicht jemand aus den Bäumen heraus beobachtete, der sich nicht täuschen ließ.
    Verlass dich auf Enhance.
    Otto begriff plötzlich. Er brüllte: »Sie können uns hören! Sie haben Helme! Das waren die! Schaltet die Mikros aus.«
    Ich trat ins Freie und hielt die Luft an. Ich dachte daran, wie mich die innere Stimme in Key West immer gewarnt hatte, wenn ein Polizist in meine Richtung geblickt hatte. Ich krümmte mich, fühlte mich nackt und schutzlos, wartete auf die Welle der Gewissheit.
    Ich fühlte nichts. Überhaupt nichts.
    Ich zischte Danny zu: »Los jetzt. «
    Wir ergriffen eine letzte Vorsichtsmaßnahme und taten so, als wären wir verwundete Soldaten, die sich gegenseitig stützen mussten. Wir wankten hinaus. Das Flutlicht war erloschen. Irgendwo hinter dem Zaun wartete Gabrielle auf uns.
    Der Zaun …
    Die Stimmen in meinem Ohrhörer waren verstummt.
    Dann erklang wieder Gewehrfeuer aus dem Gebäude. Vielleicht beschossen sie sich gegenseitig. Wir waren weniger als hundert Meter vom inneren Zaunring entfernt und für jeden mit Nachtsichtgläsern ein leichtes Ziel. Wir betraten den Rasen. Nach dreißig Metern würden wir den Schutz der Bäume erreicht haben, weitere dreißig Meter dahinter kam der Zaun.
    Ich hielt den Atem an. Die Baumreihe lag dunkel und einladend vor uns. Sicherheit.
    Wir schafften es zwischen die Bäume.
    Dann verfielen wir in Trab und versuchten, so leise wie möglich unter den tiefhängenden Ästen durchzuhuschen. Mein Atem donnerte in meinen Ohren so laut wie Gewehrfeuer. Ich hörte Dannys schwere, stiefelbewehrte Schritte hinter mir.
    Der Zaun tauchte vor uns auf.
    Ich wollte danach greifen und dachte schon: Wir haben ’s geschafft. Aber im selben Moment schien eine Stimme in meinem Kopf aufzuschreien: GEFAHR-GEFAHRGEFAHR. Sie nahte von rechts, so dass ich bereits herumwirbelte und den Abzug betätigte, bevor ich den dunklen Schatten mit der Baseballkappe erblickte. Der Mann trug Nachtsichtgläser. Meine Salve warf ihn in einem Wirbel von Armen und Beinen gegen einen Baum.
    Auch direkt hinter mir ertönten Schüsse. Danny.
    Gewehrfeuer vom Gebäude her mischte sich darunter. Ich fühlte einen weißglühenden Stich in der Seite. Er schleuderte mich herum.
    Ich fiel.
    Einen Augenblick lang war ich wie gelähmt. Dann breitete sich der Schmerz in meiner Seite aus.
    Ich lag im kühlen Gras, die Wange an den Boden gepresst. Rauch stieg aus der Mündung meines M-16 und vermischte sich mit dem morgendlichen Bodennebel. Scharfer Korditgeruch überdeckte den Duft des feuchten Grases. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Ein, zwei Meter entfernt lag Oliver Royce. Er war tot, keine Frage, ein Knäuel verdrehter Gliedmaßen. Die Druckwelle hatte ihm die Nachtsichtbrille abgerissen, und seine toten Augen
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