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Serum

Serum

Titel: Serum
Autoren: R. Scott Reiss
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starrten ins Leere.
    Ohne Enhance hätte ich ihn nie bemerkt. Ich hätte nicht einmal geahnt, dass er dort wartete.
    »Mike? Mike?«
    Danny kniete mit seinem Sturmgewehr neben mir, und ich sah die Sig Sauer silbrig in seinem Hosenbund glänzen. Ein Stück weiter hinten lag Abby Royce auf der Seite. Sie blinzelte und spuckte Blut. Ich hörte ein saugendes Geräusch aus ihrer Brust. Sie war tödlich verletzt und passend dazu ganz in Schwarz gekleidet: schwarze Jeans und ein enganliegendes schwarzes T-Shirt, schwarze Turnschuhe, schwarze Kappe, schwarze Tarnfarbe im Gesicht.
    Ihr Ehering glitzerte im kalten weißen Licht des untergehenden Mondes.
    Sie hatte auf mich geschossen.
    Der Schmerz breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich verbrannte innerlich. Etwas Hartes strich über meine Rippen.
    Danny streckte mir die Hand entgegen und half mir hoch. Es tat weh.
    »Ottos Leute haben sicher die Schüsse gehört, Mike. Die Cops auch.«
    Ich versuchte, mich auf den Beinen zu halten. Feurige Lanzen schossen durch meinen Körper. Aber da war der Zaun. Ich griff nach dem Drahtgeflecht.
    Ich kann das, sagte ich mir.
    Hinter mir vernahm ich Abbys fassungsloses Flüstern im Angesicht des Todes: »Woher wussten Sie es? Woher wussten Sie, dass wir auf Sie warten?«
    Danny half mir. Ich schaffte es über den ersten, niedrigen Zaun. Aber drei Meter weiter erhob sich der Stacheldraht. Ich taumelte, krümmte mich zusammen. Dann richtete ich mich wieder auf und griff nach dem Drahtgitter. Ein stählernes Band legte sich um meine Rippen. Nur eine Minute lang hinlegen, dachte ich. Aber dann sah ich die dicke Decke über dem Stacheldraht liegen und jemanden, der auf der anderen Seite zwischen den Bäumen hervortrat.
    Gabrielle. Sie sagte: »O Gott, Mike. O Gott.«
    Sie hielt die Decke fest, während ich mich hinaufzog und Danny von hinten nachschob. Ich schwitzte und sagte mir ständig vor: ein Schritt nach dem anderen.
    Danny ließ sich gleichzeitig mit mir vom Zaun fallen.
    Ich hörte ihn sagen: »… ins Krankenhaus.«
    Doch Colonel Ottos Stimme klang mir noch in den Ohren: »Ich kann jede Untersuchung unterdrücken. « Und ich verstand, dass er oder Ludenhorff oder jemand, der in der Hierarchie noch über ihnen stand – ein sehr einflussreicher Mann –, immer noch die Macht hatte, die ganze Sache zu vertuschen. Dann gab es keine Hoffnung mehr für uns. Weder für Gabrielle noch für Danny oder Hoot, falls sie noch lebte, und ihre Familien. Und auch nicht für Kims Sohn Chris.
    Ich weiß genau, was zu tun ist, wie ich dem ein Ende setzen kann. Gib mir nur noch eine einzige Stunde. Lass mich einfach das Auto erreichen.
    »Wir müssen erst noch woandershin«, stieß ich hervor. »Das Krankenhaus kann warten.«
    Ich sagte ihnen, wohin.
    Gabrielle meinte: »Ich habe den Motor laufen lassen. Wir müssen uns beeilen. Der Wagen steht gleich um die Ecke.«

25
    E
    s ist mir gleich, für wen Sie gearbeitet haben. Es ist mir egal, wessen Tochter Gabrielle ist. Diese Geschichte ist kompletter Bockmist«, sagte der kahlköpfige Mann.
    Die Washington Post residiert in einem neunstöckigen gelben Backsteingebäude im Zentrum von Washington. Gegenüber liegt das Mayflower Hotel, Luxusabsteige von Diplomaten, Präsidenten, Königen und Filmstars. Es war sechs Uhr dreißig morgens, die Nachtschicht war nach Hause gegangen, und die ersten ehrgeizigen Reporter erschienen mit Kaffeebechern und Notizbüchern in der Hand.
    »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Arzt brauchen, Mr Acela?«
    »Es ist nur eine Grippe«, erwiderte ich.
    Ich saß mit Gabrielle, Danny und einer Handvoll Redakteuren in einem abgeteilten verglasten Konferenzbereich. Die Vorhänge waren zugezogen. Ich trug eine improvisierte Bandage, doch die Blutung hatte sich nicht stoppen lassen. Ein warmer, klebriger Fleck breitete sich unter meinem Hemd aus.
    »Diese Uniform ist voll Blut, Mr Acela.«
    »Es ist nicht meines.«
    »Oh.«
    Am einen Ende des Tischs saß Harris, unser Reporter, ein abgespannt wirkender Mittdreißiger mit beginnenden Geheimratsecken. Der Chefredakteur der Post war ein kahlköpfiger Fünfzigjähriger mit frisch gebügeltem weißem Hemd und einer Sonnenbräune, die seine Leberflecken nicht überdecken konnte. Der Redaktionsleiter musste um die sechzig sein und hatte weißes, krauses Haar und das Auftreten eines Plantagenbesitzers aus den Südstaaten. Er war kohlschwarz.
    »Sie wollen uns also erzählen, dass unsere eigene Kolumnistin mit Hilfe dieser Droge zur
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