Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal
Autoren: Christian Mähr
Vom Netzwerk:
Semmler in seiner Stellung ganz besonders, erst recht in diesem Land. Semmler war die Vorstellung, hinter seinem Rücken könnte schlecht über ihn gesprochen werden, unangenehm. Die Leute, stellte er sich vor, hätten dann fast so etwas wie Macht über ihn, wenn sie Sachen über ihn sagten; Macht, die ihnen niemals zukam. Was sollte er anbieten? Geld kam nicht in Frage, das wäre eine abwertende Frechheit gewesen; immerhin hatten sie in der Schule nebeneinander gesessen ... er zog das Feuerzeug heraus, das er an der Ach eingesteckt hatte. Gelegenheit für einen Test.
    »Rauchst du?«, fragte er.
    »Nicht mehr«, sagte Koslowski, »seit ich diese Magensache hatte, Ursula hatte mir damals geraten ...«
    »Du hast mir wirklich sehr geholfen mit dem Schlüssel, ich möchte mich erkenntlich zeigen. Willst du’s haben?«
    Er beugte sich weit vor, hielt ihm das Feuerzeug vors Gesicht, so dass Koslowski eine Handbreit zurückwich, dann das Feuerzeug entgegennahm, in seinen unruhigen Fingern drehte und wendete. Wie ein Zauberkünstler, der es gleich verschwinden lassen würde.
    »Du schenkst es mir?«
    »Sag ich doch. Als Zeichen meiner ...« Mitten im Satz wusste er nicht weiter, ›Wertschätzung‹ hatte er sagen wollen, klang blödsinnig hochtrabend, etwas Besseres fiel ihm nicht ein, die Geschraubtheit Koslowskis begann auf ihn abzufärben. Koslowski betrachtete das Feuerzeug wie ein Firmling seine Uhr, die um einiges kostbarer ausgefallen war, als er erwartet hatte.
    »Danke dir«, sagte er. Es klang verlegen. Danach kam nichts. Koslowski behielt die Uhr in der Hand. Er atmete tief ein. Tief atmen half manchmal, wenn ihm das Wasser in die Augen schoss, was oft bei Gemütsbewegungen der Fall war; ein peinliches Leiden, das er, so gut er es konnte, zu verbergen trachtete. Am sichersten war, keine Gemütsbewegungen zu haben und Situationen, wo sie gewöhnlich auftraten, zu vermeiden. Deshalb galt er unter den Kollegen als kalt und mürrisch, dabei war es nur seine Art, öffentliches Heulen zu verhindern und sich zum Idioten zu machen. Aber jetzt hatte ihn Semmler überrumpelt. Ein Geschenk. Das hatte er von Semmler nicht erwartet, erst diese Standpauke, die er verdient hatte: Semmler sorgte sich um seine, Koslowskis finanzielle Situation! Und dann diese Großzügigkeit, nur weil sie vier Jahre nebeneinander ... er spürte das Beißen in der Nase, gerade noch rechtzeitig, atmete dagegen an – und behieltdas Feuerzeug zu lang in der Hand, als dass er es wieder hätte weglegen können. Das hätte so ausgesehen, als schätze er den Wert, überlege Annahme oder Ablehnung. Er hätte es gar nicht in die Hand nehmen, lachend abwehren sollen: Was fällt dir ein, kommt überhaupt nicht in Frage, so weit kommt’s noch ...! In dieser Art. Er wollte das Feuerzeug nicht, er hatte keine Verwendung dafür; nur die verdammte Rührung hatte ihn übermannt und außer Gefecht gesetzt. Jetzt musste er es behalten. Und versuchen, nicht loszuheulen. Er nahm den Cognacschwenker mit der anderen Hand, trank das Glas in einem Zug aus, hustete, schüttelte sich, »Oh, der ist gut!« Genial. Das Wasser in den Augen fand nun eine vernünftige Erklärung: Koslowski war nichts Hochprozentiges gewohnt.
    Dass Koslowski ein Prolet war, fiel ihm nun wieder ein, das war er doch immer gewesen und das hatte sich nicht geändert; kippte den edlen Brandy wie irgendeinen Obstler vom Discounter, keine Lebensart. Semmler verachtete Leute, die nichts von Alkohol und gutem Essen verstanden. Aber jetzt war es ausgestanden, Essen gehen würde er mit Koslowski nicht müssen. Er stand auf, Koslowski auch, der steckte das Feuerzeug in die Jackentasche, beiläufig, kam es Semmler vor, wahrscheinlich hatte er ein richtiges Feuerzeug noch nie aus der Nähe gesehen, seine Billigzigaretten immer mit den Plastikwegwerfdingern angesteckt ... ist doch vollkommen wurscht, rief er sich selber zur Ordnung, geht dich gar nichts an, dieser Koslowski, noch was der Typ tut oder lässt; die Schlüssel waren wieder da, er hätte alle nachmachen lassen müssen, Koslowski verdiente eine Belohnung, aber dass er sie einfach so eingesteckt hatte ...
    An der Tür gaben sie sich die Hand. Koslowski ging dielange Einfahrt hinunter, Semmler blieb draußen stehen, Koslowski merkte das, weil er hinter sich kein Schließgeräusch der Tür hörte, er drehte sich aber nicht um, das wäre nicht souverän gewesen, aber Semmler beeindruckte ihn: Er bleibt stehen und sieht mir nach, weil ich sein Gast
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher