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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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Cornelliani-Lederjacke, das Fendi-Köfferchen und die Gucci-Schuhe. Der Haarschnitt ist Fremdenlegion, die Brille Wim Wenders, die Uhr eine Swatch und die Zinsen unglaublich. Vier Kredite bei vier verschiedenen Banken. Entweder schläft die Schufa oder man hielt meinen Job für unkündbar. War er nicht.
    Warum also glaubt mir keiner den Designer? Was wollen die noch? Sind die zu blöd, um diese Zeichen zu deuten? Vermutlich ist es das. Wenn ich mal einen Tramper einlade und ganz beiläufig frage, was er, der Tramper, denn raten würde, was ich, der Fahrer, von Beruf sei, dann tippen die immer auf Industriekaufmann, Außendienstler oder Polizist. Polizist, das muß man sich mal vorstellen. Liegt vielleicht daran, daß die Tramper vom Bund nach Hause fahren. Zeitsoldaten. Haben vermutlich gar keine Ahnung, was das überhaupt ist, ein Designer.
    Das ist es. Bestimmt lade ich immer die Falschen ein. Möglicherweise sind aber die Leute, die trampen, von vornherein die falschen. Wenn einer sich schon durch die Landschaft schnorrt, was weiß der dann von Fendi? Ist vielleicht vernünftiger, nur noch Tramperinnen einzuladen. Frauen haben einen Blick für Qualität.
    Aber eigentlich ist es ohne Fahrgast noch schöner. Da zieht das Geschoß noch griffiger durch. Keiner beschwert sich, keiner will am nächsten Parkplatz raus und keiner krallt sich mit bleichen Knöcheln am Handschuhfach fest.
    Wozu stehen die Zahlen ganz rechts auf dem Tacho, wenn die Nadel nicht auf sie zeigt? Geschlafen wird im Bett und geparkt wird auf der rechten Spur. Zweieinhalb Liter sind eine Verpflichtung. Möglichkeit zu Leistung ist Aufforderung zu Leistung. Alles bis hundertzwanzig ist geparkt.
    Da, ein Fahrer mit Hut. Ja gibt’s denn das noch? Wurden die nicht von der Genfer Konvention verboten? Ford Granada von 82. Wackelhund im Heck. Bestimmt ist die bestrickte Klorolle gerade in der Inspektion. Die fehlt nämlich noch. Will die linke Spur nicht freimachen. Mann, stell’ deinen Toaster woanders ab, andere Leute haben heut’ noch was vor! Meint wohl, der Rest der Welt könne auch mit Hundertzwanzig zufrieden sein. Der kriegt ‘ne Fahrstunde. Hallo Schnarcher, so sieht Halogen im Rückspiegel aus. Ach was, Rückspiegel, weißt du nicht, was das ist, wie? Und so klingt eine extra eingebaute Sechshundert-Mark-Lastwagenhupe. Hörst du auch nicht? Hast die Oberkrainer zu laut gedreht? Ja, merkst du denn gar nicht, daß ich schon seit einer Viertelstunde deinen Aufkleber lese? „Wieder ein Ford von Autohaus Gähn und Kriech“. Paß mal auf, Papi, kannst gleich was lernen. Jetzt, ja jetzt, mußt du mal kurz nach rechts schauen. Hallihallo, wo komm’ ich denn her? Hähä. Schaue n !!! hab’ ich gesagt, nicht rüberziehen!!!
    Na bitte, s o sehen Polizisten aus. Gestutzter Schnurrbart, irgendwie unweigerlicher Gesichtsausdruck und dieses holprige Auftreten. So was in der Mitte zwischen Spießer und Rocker. Die haben alle den Wohnküchenblick. Die wissen noch, was das Wort Trevira bedeutet. Die halten Carpaccio für ‘ne Landschaft.
    Und dann dieser Richter. Den müßte man doch wegen Befangenheit ablehnen können, dem sieht man doch das Modell auf hundert Meter an: Omega, Scorpio, Audi achtzig. Jede Wette. Eine Kiste Asti Spumante, daß er mit Hut fährt! Aus diesem Mund ist das Urteil eine Ehrenerklärung. Kann man sich einrahmen und an die Wand nageln. Daß diese rührenden Typen nicht langsam aussterben. Pudelbesitzer, Pitralonbenutzer, Partykeller mit Lichtorgel und Verwandte in der DDR. Irre. Und der Typ von der Leasingbank: Versandhauskrawatte, Versandhausanzug, Versandhaus-Haus, Versandhaus-Frau, Versandhausgehalt.
    Na ja, nichts gegen kleine Gehälter. Für die nächste Zeit muß es wohl erstmal ein gebrauchter Manta mit Boss-Aufkleber tun. Hosenträgergurte und Heckjalousie kann man sich ja zum Geburtstag wünschen. Herb ist allerdings die Rückkehr in das Zimmer bei den Eltern. Das war doch eigentlich abgehakt. Reihenhaussiedlung, Gartenschlauchparty, „Junge steh’ auf, das Mittagessen wird kalt“ – das hat was vom Pech beim Monopoly.
    Die Braun-Stereoanlage ist wenigstens nicht pfändbar. Bis das blöde Gipsgestell vom Hals kommt, kann ich nach Herzenslust Musik hören. Aber dann wird sie verkauft. Man darf nicht an materiellen Dingen hängen, wenn die Aufnahmegebühr für die Designerschule ansteht. Man muß jederzeit von vorn anfangen können.
    Außerdem hat der Dreier-BMW einen schärferen Appeal. Irgendwie bissiger. Bis zum
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