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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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inzwischen der Vater für die studierende Tochter kaufte, mit den Aufklebern „Nie wieder Rolls Royce“, mit Esprit-Hemdchen und Chanel Nummer fünf der Ausverkauf begonnen hatte. Der Ausverkauf einer Idee, einer Weltanschauung und eines Lebensgefühls. Hinz und Kunz übten sich plötzlich in laisser faire und savoir vivre. Charles Creti und Maurice Pleti. Aus Kostengründen fuhr der Spießer einen Peugeot, aus Langeweile kochte die Spießerin Coq au vin, und irgendwann tanzte der Spießersohn auf einen Hit namens Voyage-Voyage.
    Ich bin treu, aber alles was recht ist, dieser Inflation leiste ich nicht noch Vorschub. Ich warte jetzt ab. Ich bin derzeit ein Frankophiler incognito, ein Undercover-amant. Bis diese gaze vulgäre Frankreichausschlachterei vorüber ist, halte ich mich bedeckt. Ich versäume zwar noch immer keinen einzigen Chabrol-, Truffaut-, Melville-, Verneuil- oder Louis-Malle-Film und besuche noch immer jedes Konzert der Musette-Akkordeonistin Lydie Auvray; ich träume auch noch immer von Les Beaux, aber ich habe ein Haus bei Trondheim gemietet und jeden Sommer setze ich meine Baskenmütze auf, belade den Volvo mit allen Aznavour-, Piaf- und Polnareff-Platten und lebe dort einen Monat lang wie Gott in Frankreich. Meine schwedischen Freunde haben nichts dagegen, daß ich, wenn sie Skol sagen, immer mit Santé erwidere. Unterwegs nehm’ ich keine Tramper mit und grüße keine anderen Volvo-Fahrer. Das schwedische Fernsehen bringt jeden Sommer meinen Lieblingsfilm . Außer Atem. Im Original: Au bout de souffle.

Abenteuer
    Der neue Mann und das Meer

    Ich bin Nichtraucher. Hab’s nie angefangen, weiß auch nicht warum. Ich brauch’s einfach nicht. Als ich mir kürzlich „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ wieder angesehen habe, hat mich diese ganze Zigarettenwerbung angekotzt. All diese Schicki-Mickis, die da auf weißen Booten, in weißen Autos oder in weißen Flugzeugen durch die Gegend rasen, ihr Zahnarztgesicht in die Sonne halten und unwahrscheinlich gut drauf sind … ekelhaft . Die einzigen Zigarettenfilmchen, die ich ertragen kann, die ich mir sogar ganz gern mal ansehe, sind die von Camel, wo der Mann im Khaki-Hemd über den Wasserfall startet, und von Reval, wo einer sein Zelt aufbaut und von Marlboro, obwohl mir da der Mann nicht gefällt. Der sieht so rechts aus. Wenn der Marlboro-Film kommt, lachen immer alle. Daß ich die Marlboro-Geschichten eigentlich ganz schön finde, gebe ich auch nie zu. Jeder lacht über Marlboro. Bloß komisch, daß die meisten dennoch Marlboro rauchen. Männer jetzt mal.
    Ich bin kein Macho. Ich liege beim Sex lieber unten und kann auch nicht jederzeit. Ich koche für uns beide und höre meiner Freundin geduldig zu, wenn sie die Tagesgeschichten von ihrer Arbeit erzählt. Wenn sie hinterher die Küche aufräumt, das ist dann meistens ein kleiner Großputz, weil ich recht exzessiv koche, dann erzähle ich von meinem Tagesablauf. Sie hat mich sogar dazu gebracht, im Sitzen zu pinkeln, obwohl ich nicht einsehe, wozu Gott mir einen Wasserhahn angeschraubt hat, der in der Handhabung viel günstiger ist als eine simple Öffnung, aber ich sehe ein, daß es für die Frauen eine Demütigung bedeutet, dieses Privileg nicht zu haben, also verzichte ich darauf. Man fährt ja auch nicht im Sportwagen durch Slums.
    Ich bin also eher das, was man den „neuen Mann“ nennt. Ich trage die bunten Pullover, die sie mir strickt, rede ihr nicht beim Autofahren rein, finde mich nicht intelligenter und lasse sie entscheiden , ob wir ein Kind wollen oder nicht. Trotzdem ist da etwas, das angerührt wird, wenn der Reval-Mann sein Zelt aufbaut. So eine Sehnsucht. So eine Sehnsucht nach echter Existenz, nach Grenzen, die überschritten werden sollen, nach Leistung … Ja ich weiß, Leistung ist ein Wende-Wort. Vor acht Jahren war Leistung noch etwa so pfui wie Egoismus, und heute ist es schon wieder so hui wie das Wort „Millionär“ in den Ami-Filmen der vierziger Jahre. Ich meine nicht diese Leistung, nicht die, die sich in einem glänzenden Neuwagen zeigt oder der Terrassenvilla am Südhang. Aber dieser gewisse Trotz gegenüber den übermächtigen Elementen, diese Herausforderung, die eine ungezähmte Natur an einen stellt; dieses Gefühl, kämpfen zu müssen, sich zu beweisen und Gegnern zu stellen, das steckt in den Männern wohl doch irgendwie drin. In mir jedenfalls.
    Wenn wir am Meer liegen, in Griechenland, auf Malta oder den Malediven, dann ist meine Freundin damit
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