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Der magische Reiter reiter1

Der magische Reiter reiter1

Titel: Der magische Reiter reiter1
Autoren: britain
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DER GRAUE

    Der Granit fühlte sich unter den Handflächen des Graugewandeten kalt und rau an. Es war guter, fester Granit aus den Tiefen der Erde selbst. Der Graugewandete verfolgte die kaum wahrnehmbaren Risse zwischen den gewaltigen Blöcken des Walls. Es waren die Risse, so glaubte er, die den Schlüssel darstellten. Den Schlüssel zur Vernichtung des Walls.
    Der Wall erhob sich über ihm bis in unbekannte Höhen. Er war etliche Meter dick und verlief Hunderte von Meilen entlang der Südgrenze Sacoridiens, vom Ostmeer bis zur Ullem-Bucht im Westen. Er schützte Sacoridien und den Rest des Landes vor Kanmorhan Vane, gemeinhin Schwarzschleierwald genannt.
    Der Wall bestand schon seit tausend Jahren. Er war nach dem Langen Krieg um die Wende des Ersten Zeitalters errichtet worden. Tausend Jahre lang waren die hinter dem Wall gefangenen Bewohner des dunklen Waldes immer unruhiger geworden, hatten getobt und gewütet.
    Nun musste der Graue sie zu sich rufen und ihrer Verbannung ein Ende bereiten. Er würde diesen Albtraum aufs Neue in die lichte Welt des Tages entlassen. Und er würde es allmählich tun. Ganz allmählich.
    Der Wall war von einer Magie erfüllt, die unter den Händen
des Grauen prickelte. Die Magie war alt und mächtig, selbst für ein Menschenwerk aus jener längst vergangenen Zeit. Heute verstanden sie sich längst nicht mehr auf solche Künste. Sie wussten nicht mehr viel von dem, wozu ihre Vorfahren fähig gewesen waren. Ebenso wenig wussten sie, was die Bewohner des heutigen Sacoridien alles vermochten.
    Und das war gut so.
    Er strich mit dem Geist über die Schichten der Magie. Jeder Granitblock war mit Magie verwoben worden, von dem Augenblick an, da er aus dem Felsen gebrochen worden war, hin zu seiner Bearbeitung und dem Feinschliff, bis er schließlich eingefügt worden war. Den Mörtel hatte man unter Stärkungszaubern aufgetragen, nicht nur, um sicherzustellen, dass der Wall für alle Zeiten Bestand hatte, sondern auch, um zu verhindern, dass die Magie von ihm wich.
    Ach, die Zaubergesänge, welche die Steinmetzen gesungen haben mussten, als sie Löcher in das Gestein hämmerten und die Mörtelmischung anrührten … Der Wall war wirklich großartig. Eine atemberaubende Leistung, zu deren Vollendung es Generationen von Menschen bedurft hatte. Ein Jammer, dass er vernichtet werden musste.
    Der Graue lächelte im Schatten seiner Kapuze. Er würde die Welt wieder in einen Zustand zurückversetzen, den sie seit dem Langen Krieg nicht mehr gekannt hatte, in eine vergessene Epoche, lange vor dem Ersten Zeitalter, eine Epoche, in der die Menschen noch in primitiven Gruppen lebten, die Herdentieren und Wild nachstellten. Damals hatte es keine Könige gegeben, keine Länder, keine organisierten Religionen. Lediglich Aberglauben und Finsternis. Im Schwarzen Zeitalter, wie diese längst vergangene Epoche heute genannt wurde, hatten sie ein besseres Verständnis von Magie gehabt als heute.

    Der Graue blickte auf. Die rosa Wolken der Morgendämmerung verblassten, und Vögel stoben durch die Bäume. Seine Mitverschwörer warteten sicher schon ungeduldig auf seine Rückkehr. Sie hatten wohl auch jedes Recht dazu, ungeduldig zu sein: Sie waren sterblich.
    Er schloss die Augen und wappnete sich. Dann folgte er den Gesängen der Steinbrecher und Steinmetzen, die eine Sprache gebraucht hatten, die kein moderner Sacorider erkannt hätte. Die Musik entsprang den Tiefen der Erde; sie wob Fäden von Widerständen, Begrenzungen und Barrieren.
    Das Echo der Hämmer, vor Jahrhunderten von Steinmetzen geschwungen, hallte im Kopf des Grauen wider. Die Schläge ließen ihn erbeben, klangen misstönend durch seine Gedanken. Er biss vor Schmerzen die Zähne zusammen und drang tiefer ein.
    Männer und Frauen sangen im Einklang miteinander. Ihr Gesang schwoll an, als seine Gedanken die Risse entlangfuhren. Er fing die Harmonie ihrer uralten Stimmen auf und ließ zu, dass die Kadenz der Hämmer seinen Geist erfüllte, und er sang mit ihnen.
    Sein Körper wiegte sich im Rhythmus und troff von Schweiß. Doch sein Körper war nun ein fernes Etwas, ein nachträglicher Gedanke, denn sein Geist befand sich tief im Innern des Granits. Er floss in rosa Feldspat und kristallenem Quarz, in den pfefferfarbenen Flecken der Hornblende. Er fühlte sich mächtig genug, um unberührt von den Witterungskräften der Natur den Zeitaltern standzuhalten. Er konnte allem standhalten. Doch er musste diese Macht mehren. Wenn er den Wall
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