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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert
Autoren: Marie Rutkoski
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Die Grauen Männer
    M ANCHE TAGE fangen einfach schlecht an. Man kennt das ja. Es ist die Art von Tagen, die man wie verschüttetes Salz in die Hand fegen und über die linke Schulter schmeißen möchte in der Hoffnung, dass nichts Schlimmes passiert, wenn man dann dabei nicht nach hinten schaut.
    Petra Kronos wachte mit einem Ruck auf. Ihr Herz raste. Die Laken waren feucht vom Schweiß.
    Sie wandte den Kopf nach links und schaute aus dem Fenster: Es war neblig, frostig und trostlos.
    Sie wandte den Kopf nach rechts und da war Astrophil. Die Zinnspinne hatte sich zu einem kleinen, stachligen Ball zusammengerollt. Mit einem Quietschen nahm sie ihre schimmernden Beine zusammen, ließ eines nach dem anderen in die Luft schnellen und wand sich auf die Füße. »Petra, stimmt was nicht?«
    »Ich hatte einen Albtraum.« Ihr Puls raste immer noch.
    »Aha. Hing er mit den Ereignissen in der Salamanderburg zusammen?«
    »Nein.« Petra wollte nicht daran denken, was vor einem Monat passiert war. »Träume haben sowieso nichts zu bedeuten. Das sind doch nur leere Bilder.«

    »Hatte es«, fragte die Spinne behutsam weiter, »mit John Dee zu tun?«
    »Nein.« Petra schnaubte gereizt und stieg aus dem Bett. Astrophil hatte die lästige Angewohnheit, die jeweilige Ausnahme von der Regel herauszupflücken. Sie behauptete etwas (Träume haben nichts zu bedeuten), und er lieferte sofort ein Gegenbeispiel (John Dee).
    »Wenn du von ihm geträumt hast«, Astrophil blieb hartnäckig dabei, »könnte das durchaus real gewesen sein. Er könnte dir eine Nachricht geschickt haben. Ihr seid im Geist verbunden.«
    »Erinnere mich bloß nicht daran.« Sie zitterte beim Anziehen.
    »Weißt du noch, was du geträumt hast?«
    »Nein«, log sie. Sie zog ein Halsband unter ihrem Hemd hervor. Ein kleines Hufeisen hing an einer dünnen Lederschnur. Sie drehte es um und blickte auf die Gravur. Die war in einer Sprache, die sie nicht verstand, doch sie erkannte ihren Namen und den eines Freunds. »Was glaubst du wohl, wo Neel jetzt gerade steckt. Glaubst du, er ist noch in Spanien?«
    Astrophil schwieg vorwurfsvoll. Er fiel nicht auf ihren Versuch herein, ihn abzulenken. »Keine Ahnung.«
    »Komm, wir gehen in den Wald, bevor Vater aufwacht.«
    »Wenn du willst.«
    Sie ließ sich auf Hände und Knie nieder und kramte unter dem Bett herum. Als sie wieder aufstand, hatte sie nichts in den Händen. Doch die, obwohl leer, bewegten sich eigenartig. Petra schien sich einen unsichtbaren Gegenstand um die Hüfte zu schnallen. Sie sah aus wie eine Schauspielerin, die eine Pantomime aufführt.

    Astrophil krabbelte ihren Arm hinauf. Sie lächelte ihn fröhlich an.
    Aber auch das war geschauspielert. Petra machte sich Sorgen. Sie erinnerte sich sehr wohl an ihren Traum. Sie war wütend gewesen, mehr als wütend. Sie war voller Zorn gewesen, der fast schon an Panik oder Verzweiflung grenzte. Sie hatte gegen eine Tür gehämmert. Das Zimmer, in dem man sie gefangen hielt, war komfortabel mit geschnitzten Möbeln und Brokatstoffen eingerichtet. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie sich in einer Art Gefängnis befand.

    Jarek wurde in die Ecke seiner Zelle geschleudert. Die steinerne Mauer kratzte ihm die Backe auf, als er zu Boden fiel. Die Tür fiel kreischend ins Schloss.
    Die Sitzung war gnädig kurz gewesen. Schließlich hatte er ihnen ja schon alle Informationen gegeben, die er hatte.
    Es gab ja ein Fenster in seiner Zelle, fiel ihm wieder ein. Kein richtiges Fenster, nur ein rechteckiges Loch, das groß genug für eine Hand war.
    Jarek kämpfte sich auf die Beine.Als er die Hand hob, durchschoss ein Schmerz seinen Arm. Er schob die Hand durch das Loch. Kalter Regen prickelte über seine blutigen Finger.
    Dann kitzelte noch etwas anderes außer dem Regen seine Handfläche. Ein kleiner Körper kuschelte sich in Jareks gekrümmte Hand. Er spürte warme Federn und einen schnellen Herzschlag. Mein armer Freund , murmelte der Spatz in Jareks Kopf hinein.
    Jarek versuchte, sich vorzustellen, was der Vogel sehen konnte: sein eigenes Handgelenk, das aus der Gefängnismauer ragte, den vom Regen verwaschenen Himmel und die roten Dächer von Prag.

    Der Gedanke, dass ihn der Spatz alleine lassen würde, war vielleicht die schlimmste Folter von allen. Ohne Worte übermittelte er dem Vogel: Du musst eine Botschaft für mich überbringen.

    Das Haus zum Kompass war voller Echos. Die meisten Möbel waren verkauft oder auf den Wagen geladen worden, mit dem Josef
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