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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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1. KAPITEL
    Doc Voss’ Eltern waren Farmer deutscher Abstammung, mennonitische Pazifisten, die in der Nähe von Deaf Smith, Texas, ein paar Brahmanrinder auf der Weide stehen hatten, Bohnen, Melonen und Tomaten anbauten, ihre Steuern bezahlten und im Allgemeinen ihrer eigenen Wege gingen. Als Doc im letzten Jahr auf der Highschool seinen Einberufungsbescheid bekam, dachten viele von uns, er würde aus Gewissensgründen eine Freistellung vom Wehrdienst beantragen. Stattdessen meldete Doc sich zur Navy und wurde als Sanitäter im Lazarettdienst der Marineinfanterie zugeteilt.
    Danach schloss er sich der Force Reconnaissance an, den Fernaufklärern, landete schließlich bei den Navy-SEALs und war sowohl als Hubschrauber- wie auch als Flugzeugpilot bei Evakuierungseinsätzen an der kambodschanischen Grenze beteiligt. Tatsache ist, dass Doc einer der höchstdekorierten Teilnehmer am Vietnamkrieg wurde.
    An dem Abend, an dem Doc nach Hause zurückkehrte, verbrannte er seine Uniform im Hof hinter seinem Elternhaus, hängte ein Stück nach dem anderen an einen Stock und hielt es über ein Feuer, das aus einem verrosteten Ölfass loderte und die Tropenkluft der Marineinfanterie in lauter glühende Fadenwürmer auflöste. Er trat einer fundamentalistischen Sekte bei, die in ihren Ansichten noch radikaler war als die Glaubensgemeinschaft, der seine Familie seit jeher angehörte. Als er darum gebeten wurde, Zeugnis abzulegen, stand er inmittender Gemeinde auf und trug in aller Ruhe eine Geschichte von einem Einfall in ein Dorf vor, die seine Glaubensbrüder und -schwestern in der aus Brettern zusammengezimmerten Kirche zum Heulen und Zähneklappern brachte.
    Nach der Erntezeit setzte er sich nach Mexiko ab. Wir hörten Gerüchte, dass Doc süchtig wäre, in einer Hütte an der Bucht von Campeche lebte, den Verstand verloren hätte, Haare und Bart wie eine Löwenmähne trüge, dass sein ganzer Körper mit Schwären überzogen wäre.
    Ich bekam eine verschmierte, mit Bleistift geschriebene Postkarte von ihm. Darauf stand: »Lieber Billy Bob, lass dich nicht mit Politikern oder Generälen ein. Ich schwimme morgens mit den Delfinen. Das Meer ist voller Licht, und die Delfine sprechen mit mir, als wäre ich einer der Ihren. Wenigstens glaube ich das.
    Dein Freund, der Typ, der mal Tobin Voss war.«
    Aber zwei Jahre später kam Doc zu uns zurück, hager, das Gesicht frisch rasiert, die Haare kurz geschoren wie ein Sträfling, und hatte ein Notizbuch voller Gedichte in seinem Seesack stecken.
    Er arbeitete den Sommer über mit seiner Mutter und seinem Vater, verkaufte am Stadtrand von San Antonio Melonen, Kantalupen und Erdbeeren frisch vom Lastwagen und schrieb sich dann auf der Universität in San Marcos ein. Ehe wir uns versahen, war Doc mit dem Studium fertig, ging auf die Baylor University und brachte es zum Doktor der Medizin.
    Fortan brauchten wir uns keine Sorgen mehr um Doc zu machen, wie wir beinahe selbstgefällig feststellten, so als wäre ein auf Abwege geratener Verwandter endlich das geworden, was man ihm schon immer zugetraut hatte. Doc redete nie über den Krieg, äußerte sich nur in den Gedichten darüber,die er in einem Sammelband veröffentlichte, und danach in einer Sammlung von Kurzgeschichten, die auf den Gedichten basierten, darunter eine, die vermutlich ein berühmter Filmregisseur klaute und für einen preisgekrönten Film über den Vietnamkrieg verwertete.
    Doc leitete eine Klinik in Deaf Smith und heiratete ein Mädchen aus Montana. Als er sie vor fünf Jahren bei einem Flugzeugabsturz verlor, ging er mit seinem persönlichen Unglück genauso um wie mit dem Krieg. Er redete nicht darüber.
    Auch nicht über das Feuer, das nach wie vor in ihm brannte, oder den verborgenen Hang zur Gewalttätigkeit, den sein sanfter Blick Lügen strafte.

2. KAPITEL
    Docs verstorbene Frau stammte aus einer Rancherfamilie aus dem Bitterroot Valley im Westen von Montana. Als Doc sie vor fast zwanzig Jahren bei einem Angelurlaub kennen lernte, verliebte er sich, glaube ich, beinahe ebenso sehr in ihren Heimatstaat wie in sie. Nach ihrem Tod und der Beerdigung auf der Ranch ihrer Familie kehrte er immer wieder nach Montana zurück, verbrachte den ganzen Sommer und die Ferienzeit dort, fuhr auf einem Floß den Bitterroot River hinunter, zog auf Skiern querfeldein und ging mit Kletterhaken, Seil und Eispickel in den Bitterroot Mountains Bergsteigen. Ich vermutete, dass Docs Frau in seiner Vorstellung immer noch bei ihm war, wenn
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