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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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vielleicht sagen sollen: „Ist das der Herr Soundso, der in deiner Firma nicht alt wird?“
    Hätte ich vorgestern in der Kneipe, als du die Blonde nach Malta einladen wolltest, sagen sollen: „Wenn du deinen Kindern den Unterhalt streichst und deiner Frau die Alimente kürzt, dann kannst du dir das locker leisten?“ Nein, mein Lieber. Nicht mein Stil.
    Du brauchst gar nicht so mißtrauisch zu schauen. Ich halte mich ausschließlich an meine Grundsätze und deinen Chablis. Meine Grundsätze lauten in etwa so: „Was du sagst zur rechten Zeit, das macht Spaß und bringt dich weit.“ Ist nicht gerade ein Gedicht, dieser Grundsatz, weder moralisch noch vom lyrischen Gehalt her gesehen, aber mir gibt es eine gewisse Ruhe. Eine gewisse Ausgeglichenheit. So ein inneres „Laß mal“.
    Bin ich denn blöd? Soll ich deiner Freundin etwa von dem Malteser Busen- und Intelligenzwunder erzählen? Soll ich ihr sagen, daß du noch lange nicht vorhast, mit dir selber klarzukommen, um sie dann endlich, wie versprochen, zum Standesamt zu führen? Sie sagt mir ja auch nicht, was du ihr über mich erzählst. Braucht sie auch nicht. In groben Zügen kann ich mir das selber ausrechnen.
    Ja, zwinker mir ruhig zu. Ich bin dein treuer Komplize. Ich finde das alles genauso witzig wie du. Doch, ehrlich. Ich find’s echt witzig. Ich zwinker sogar zurück.
    Den zweiten meiner Grundsätze kennst du übrigens noch nicht. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten .“ Ja, ich weiß, nicht ganz neu, aber gar nicht so doof. Gibt mir auch so ein inneres „Laß mal“.
    Hoppla! So was Dummes! Ausgerechnet Ketchup, das kriegst du nie wieder raus. Der Teppich ist schön. Ja, ich weiß, zehntausend Mark und paar zerquetschte, war ein echtes Schnäppchen. Kostet normalerweise leicht fünfzehn, sechzehn. Genau die zehntausend Mark hat er gekostet, die du mir eine Woche vorher nicht leihen konntest, als es für mich Spitz auf Knopf stand. Oh, ich weiß, wann du den gekauft hast. Hab’ deine Freundin gefragt. Daß du dich ein Vierteljahr lang nicht mehr melden würdest, nachdem ich dich um die Zehntausend gebeten habe, war mir klar, aber daß es wegen des Teppichs war, weiß ich erst seit einer Stunde.
    Laß mal. Zwinker, zwinker. Wir beide wissen Bescheid, was?
    Was mein Buch macht? Ich komm’ ganz gut vorwärts. Ich glaub’ nur, daß ich die Hauptfigur nochmal umschreibe. Nein, kann ich noch nicht verraten. Erst wenn’s rauskommt. Ja, ja, geh’ ruhig wieder zu deinen Freunden von der Freien Wählergemeinschaft, ihr habt ja einiges zu besprechen, denk’ ich. Ich nehme mir noch was von dem Chablis und mach’ mir ein paar innere Notizen zu meinem Roman.
    Ein Mann mit einem durchaus berechtigten Minderwertigkeitskomplex, wird es da heißen, vor dem er sich in die triefendste Unwiderstehlichkeit flüchtet. Und vor sich selber flüchtet er, vor seiner allzu dünnen Haut, zu dünn, um all den Abfall, aus dem sein Inneres ausschließlich besteht, auf Dauer zusammenhalten zu können. Eines Tages, denkt er, wird sie platzen, diese dünne Haut, und ihn als einen Haufen Müll, den sich kein Türke wegzuschaufeln bereit erklären wird, kläglich und stinkend in die Gosse bröckeln lassen. Ein kleiner Stich genügt, denkt er, ein kleiner Stich, und alles fällt. Dann wäre sein Ziel, Baudezernent dieser Stadt zu werden, für immer dahin. Ein Haufen Abfall wird nicht in den Stadtrat gewählt.
    Aus dieser Furcht heraus verpflichtet er sich jeden Menschen, mit dem er zu tun hat, teilt kleine unappetitliche Geheimnisse mit ihm und gibt ihm so das Gefühl, der einzige wirkliche Freund zu sein, indem er es an Abfälligkeiten über andere, die ihm „nur scheinbar“ nahestehen, nicht mangeln läßt. Undsoweiter undsoweiter.
    Wenn ich mich beeile, ist das Buch bis zur Wahl draußen. Ja, ein Schlüsselroman. Nimm es als Kompliment.

Elektrolurch
    Der, der das Natürliche liebt

    Was sagst du? Ich solle mit meinem bornierten Bio-Geschwafel aufhören? Solle mir, bevor ich ein klassisches Orchester im Vergleich zu einer Rockband als leise bezeichne, mal die in der ersten Reihe gemessenen Phonzahlen eines Tuschs geben lassen? Solle mir mal Gedanken machen, worin der prinzipielle Unterschied zwischen einem Tonabnehmer und einem Mikrofon besteht, bevor ich das Folkfestival als akustisch bezeichne, und sobald ich einer E-Gitarre ansichtig würde, „Elektro-Elektro-Hilfe-Verderben“ schrie?
    Solle mir mal überlegen, wie authentisch der Ethno-Beat noch von der Schallplatte
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