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Die Polizistin

Die Polizistin

Titel: Die Polizistin
Autoren: Kimberly Dean
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Prolog
    Es roch immer noch genauso.
    Shanna konnte es nicht beschreiben, aber der Geruch war noch da. Die Luft war schwer, geschwängert von Emotionen. Shanna füllte ihre Lungen mit einem Gewicht, das sie kaum ertragen konnte. Verzweiflung.
    Ärger. Furcht. Wut. Alle diese Empfindungen waren noch da, sehr lebendig in den Bildern in ihrem Kopf.
    Verdränge sie, forderte sie sich auf.
    Sie durfte sich nicht ablenken lassen. Sie hatte einen Auftrag zu erledigen.
    Ihre Finger spannten sich um den Griff ihres Revolvers. Sie atmete einige Male tief ein und zwang ihre schlechten Gedanken ins Unterbewusstsein.
    Sie konnte die Erinnerungen nicht völlig abstellen, aber sie konnte sie zu ihrem Vorteil nutzen.
    Dies war ihr Terrain. Sie kannte sich hier besser aus, als irgendjemand vermutete.
    Sie wusste, dass Giovanni kalte Pizzastücke in die Müllgrube neben der Hintertür kippte. In der Zone gab es nicht besonders viel Alkohol, aber man konnte leicht durch den Hintereingang zu den Toiletten schlüpfen, um sich dort schnell einen Schuss zu setzen. Und nebenan die Rückkehr nach Kaschmir – sie wusste genau, was sich in dieser unsäglichen Spelun-ke abspielte. Heute Abend war die Atmosphäre fast erstickend. Shanna ignorierte die Atmosphäre.
    Sie hatte ein Ziel im Auge, und nichts würde sie davon abhalten können.
    »Stellen Sie sich in Position.«
    Der geflüsterte Befehl löste eine Gänsehaut auf ihrem Rücken aus. Sie drückte eine Hand gegen ihren Ohr-sender. Ihr war, als hätte sein heißer Atem ihren Nacken gestreift. Der Revolvergriff wurde glitschig vom Schweiß ihrer Hand. Sie wischte sich die Handflächen an den Jeans ab und nahm die Waffe in die andere Hand.

    Special Agent Joe Mitchell hatte immer diese Wirkung auf sie.
    »MacKay, sind Sie bereit?«
    Shanna wich rasch einem leeren Karton aus und drückte sich gegen die Mauer. Die geschlossene Tür befand sich links von ihr, deshalb nahm sie die Waffe wieder in die rechte Hand. »Ich stehe vor der Hintertür«, flüsterte sie ins Mikrophon.
    »Ist sie abgeschlossen?«
    Joes Stimme war leise und bemerkenswert ruhig. Das ganze Team hörte zu, aber ihr war, als stünde er neben ihr und flüsterte ihr ins Ohr. Sie schluckte schwer, streckte die Hand aus und drehte am Türknopf.
    Die Tür bewegte sich nicht.
    »Verschlossen«, flüsterte sie. »Ich brauche dreißig Sekunden.«
    Bevor er reagieren konnte, ließ sie sich auf die Knie fallen und griff nach den Werkzeugen in ihrer Tasche.
    Sie grinste entschlossen, als sie daranging, das Schloss zu knacken. Diese Fertigkeit hatten sie ihr auf der Akademie nicht mehr beibringen müssen. Während sie das Schloss bearbeitete, hörte sie, wie Joe die Positionen der anderen Mitglieder des Teams überprüf-te.
    »Mustang?«
    »In Position.«
    »Devo?«
    »In Position.«
    »Cobra?«
    »Alles okay.«
    Sie hörte, wie die letzte Nadel klickte, als sich seine Stimme wieder bei ihr meldete. »Lily?«
    Sie hatte geglaubt, darauf vorbereitet zu sein, aber trotzdem stockte ihr der Atem. Jedes Mal, wenn er ihren Codenamen benutzte, schoss ein Stromstoß durch ihren Körper. Wenn er sie jemals mit Shanna ansprechen würde, bliebe ihr wahrscheinlich das Herz stehen.

    »Ich bin drinnen«, raunte sie.
    »Bleibt auf euren Positionen, bis ihr wieder von mir hört.«
    Shanna presste sich wieder mit dem Rücken gegen die Wand und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen, der plötzlich zu rasen begonnen hatte. Sie war mittendrin! Sie mochte es kaum glauben, denn sie hatte eine halbe Ewigkeit auf diesen Moment gewartet. Heute Abend würde Manuel Santos das bekommen, was ihm zustand.
    Ihre Hände zitterten. Sie musste ihre Nerven zähmen und atmete tief ein. Das war nicht klug. Die kalte Luft infiltrierte ihre Nase, und einen Augenblick lang fürchtete sie, niesen zu müssen.
    »Los jetzt! Geht rein!«
    Der Befehl schallte ihr ins Ohr. Sie wirbelte herum, trat die Tür auf, kauerte sich auf den Boden und blinzelte um die Ecke. Der Flur war leer. Vorsichtig drang sie tiefer ins Gebäude ein.
    Ihre Angst war verflogen und durch kühle Entschlossenheit ersetzt. Starr hielt sie den Revolver in der Hand, während sie sich langsam weiter bewegte. Sie spitzte die Ohren, aber sie hörte absolut nichts.
    Mit der Stille stimmte was nicht.
    Shanna blieb stehen. Es war viel zu ruhig. Sie waren in eine Falle getappt. Ihre Lungen blähten sich auf, das Herz schlug in ihren Ohren. Verzweifelt überlegte sie, was sie jetzt tun sollte. Nach dem Lehrbuch
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