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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse
Autoren: Thommie Bayer
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lesen. Und das trifft auf mich einfach nicht zu. Ich bin weder oberflächlich noch materialistisch. Geld zu haben heißt ja nicht, Geld zu brauchen. Ich könnte jederzeit auf Java mit Stütze leben. Jederzeit.
    Und würde ich mich vielleicht an dem alternativen Bäumepflanzprojekt in Eimsbüttel beteiligen, wenn ich oberflächlich wäre? Ginge ich zu Lesungen von Koch und Uli Becker? Hätte ich diese breit sortierte New-Age-Plattensammlung, selbstverständlich alle auf CD, wenn ich oberflächlich wäre? Ein Oberflächlicher hätte gerade mal zwei CDs von Paolo Conte. Ich habe weder nur zwei noch hab’ ich die nur . Ich habe sie auch . Und ein Materialist hätte nicht letzten Sommer Stonehenge besucht. In dieser Vollmondnacht, als Fritjof Capra auch dort war und spontan ein paar Worte zu den Sinnsuchenden sprach. Es war magisch. Echt magisch. Erlebt man nur einmal, sowas. Packt man beim Schopf oder kriegt die Chance nie wieder. Ein Yuppie ginge nicht in Jeans in die Met und zöge sich nicht Tosca in der Scala in Sandalen rein. Natürlich keine Birkenstock und natürlich keine Wrangler. Aber trotzdem. Immerhin. Ich bin eben unabhängig. Zeitlos. Ich habe Stil, ohne ein Etikett zu brauchen. Ich brauche keine Uniform. Ich muß nirgends dazugehören. Ein Fixstern bin ich, eine Sonne. Sollen andere um mich kreisen, wenn ihnen der eigene Glanz nicht reicht. Wenn sie noch anderswo was abzapfen müssen. Bitte. Bloß Vorwürfe sollen sie mir nicht auch noch dafür machen, daß sie mich insgeheim bewundern und beneiden. Ich brauche weder ihren Neid noch ihre „Aahs“ und „Oohs“. Beneiden kann ich mich auch alleine.
    Was kann ich denn dafür, daß ich ein Gewinner bin? Ich habe mich weder irgendwo rangeschmissen noch hochgebuckelt, habe niemandes Speichel geleckt und keinen angebettelt. Wenn heute das Telefax täglich den Börsenschluß ins Arbeitszimmer tickert und dabei ein vierstelliges Plus verkündet , dann hab’ ich das ganz allein mir zu verdanken. Mir ganz allein und der Fähigkeit zu rechnen.
    Wenn mir heute die brasilianische Haushaltshilfe, eine fertig ausgebildete Architektin übrigens, den Schwitters, den Lichtenstein, den Hopper und die Spielzeugsammlung abstaubt, dann bilde ich mir erstens nichts darauf ein und bin zweitens aber auch niemandem Rechenschaft schuldig. Das Verhältnis mit Corazon ist übrigens völlig locker. Sie duzt mich, ich habe ihr schon dreimal ein Essen gekocht und außerdem bekommt sie zwölf Mark auf die Hand. Schwarz. Hierzulande sind zehn Mark üblich, deshalb hab’ ich sie auch gebeten, es nicht weiterzusagen. Vielleicht nehm’ ich sie demnächst sogar mal in „Cats“ mit. Kann man sich ruhig zweimal ansehen, und seit der Premiere sind schon bald drei Jahre vergangen. Und danach spendiere ich ihr Piccata al Limone bei Mario. Da kann sie vergleichen mit denen, die ich ihr kürzlich gekocht habe. Sie könnte eigentlich auch mal nach San Gimignano mitkommen. Allerdings nur, wenn Karen nicht kann. Muß ich demnächst mal unauffällig rauskriegen. Also, was kann ich dafür, daß mir das Pilotenspiel damals tatsächlich eine dreiviertel Million einbrachte? Ich bin als dritter hier in Hamburg eingestiegen. Was kann ich dafür, daß ich gut rechnen kann? Bloß weil einer gut rechnen kann, ist er noch lang kein Yuppie.
    Und noch was: Wer jetzt noch ein Yuppie sein will, der kann auf jeden Fall nicht rechnen.

Wer langsam reit’,
    kommt grad’ so weit
    Der Schriftsteller

    Du brauchst gar nicht so zweifelnd zu mir herzusehen. Macht dich mein Schweigen unsicher? Gut so. Unsicher kann ich dich noch besser leiden. Benimm dich ruhig so, wie du es für richtig hältst. Ich sag’ doch nichts. Ich doch nicht. Noch nicht.
    Soll ich meine Energie verplempern, indem ich hier, vor allen Leuten, darauf hinweise, daß du dich anschleimst? Ausgerechnet bei der Frau deines meistgehaßten Kunden. Soll ich ihr vielleicht ein paar von deinen Originalzitaten, ihre Figur, Manieren und vermutlichen sexuellen Mängel betreffend, referieren? Soll ich ihr verraten, daß du der Meinung bist, zwischen ihr und einem Haifisch bestehe der Unterschied einzig und allein in der Genießbarkeit? Für wen hältst du mich?
    Oder hätte ich vielleicht an der Tür, als du jovial die Hände riebst, um deinen Mitarbeiter Herrn Soundso mit prachtvoll gespielter Freude zu begrüßen, den Arm um ihn zu legen und über einen Witz, den er garantiert gar nicht gemacht hatte, laut und hingerissen zu lachen, hätte ich da
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