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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord
Autoren: Schlink
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zarten, und weil sie sich lange rar gemacht haben, werden sie zusätzlich verzärtelt. Als Bertram 1958 geboren wurde, waren seine Eltern über 40. Er war ein lieber Bub, begabt, ein bißchen verträumt und ziemlich verwöhnt. Ein Wirtschaftswunderkind, wenn Sie wissen, was ich meine. Aber Sie haben recht, leicht kann es ohne Stephanie und die Kinder für ihn nicht sein, und daß die Eltern bei einem Autounfall umkamen, ist auch erst ein paar Jahre her.« Er schüttelte den Kopf. »Da hat einer alles, was man sich wünschen kann, und dann …«

8
Frauen!
    Am Abend kochte ich für Brigitte und Manu Polenta mit Schweinemedaillons und Oliven-Anchovis-Sauce. Wir saßen in meiner Küche am großen Tisch.
    »Ein Mann hat eine Frau, zwei Kinder und zusammen mit der Frau viel Geld. Eines Tages machen Mann und Frau eine Wanderung in den Bergen. Er kommt alleine zurück.«
    »Er hat sie umgebracht.« Manu strich sich mit dem Finger über die Gurgel. Er war noch nie zimperlich, und seit dem Stimmbruch ist er’s erst recht nicht. Brigitte sieht das mit Sorge und erwartet, daß ich sie, die alleinerziehende Mutter, dadurch unterstütze, daß ich ihm ein zugleich einfühlsames und kraftvolles männliches Vorbild bin.
    Sie sah uns streng an. »Vielleicht war es ein tragischer Unfall. Warum denkt ihr gleich an …«
    »Warum hast du keine Spaghetti gekocht? Ich mag das gelbe Zeug nicht.«
    »Ja, es mag ein Unfall gewesen sein. Aber laß uns annehmen, er hat sie tatsächlich umgebracht. Wegen des Geldes?«
    »Er hatte eine Mätresse.«
    »Was?« Wir hatten Manus Wortschatz unterschätzt.
    »Na, eine Frau, mit der er gebumst hat.«
    »Wegen einer Mätresse muß man seine Frau heute nicht mehr umbringen. Man läßt sich von der Frau scheiden und heiratet die Mätresse.«
    »Aber dann ist das halbe Geld weg. Gerd hat gesagt, daß sie zusammen viel Geld haben. Und warum soll man seine Mätresse heiraten?«
    »Ich finde die Polenta übrigens ausgezeichnet und das Fleisch und die Sauce auch. Und du hast für uns gekocht und den Merlot besorgt, den ich mag, und bist ein Schatz.« Sie hob das Glas. »Aber ihr Männer seid blöd. Er kommt alleine zurück, hast du gesagt?«
    Ich nickte. »Richtig, und ihre Leiche wurde nie gefunden.«
    »Na bitte. Sie ist gar nicht tot. Sie hatte einen Geliebten, mit dem sie auf und davon ist. Und ihrem Mann, der sich nie um sie gekümmert hat, geschieht’s gerade recht.«
    »Cool, Mama. Aber haut nicht hin. Wie kommt sie, wenn alle sie für tot halten, an ihr Geld?«
    Ich war dran. »Daran denkt sie nicht. Auch wenn ihr Geliebter nur Tennis- oder Golflehrer ist – er ist ihre große Liebe, und Liebe ist mehr wert als alle Güter dieser Welt.«
    Brigitte sah mich mitleidig an, als wäre ich unter den blöden Männern ein besonders blöder. »Der Mann und die Frau haben nicht nur zusammen Geld gehabt. Sie haben auch zusammen ein Geschäft geführt. Und die Frau ist, so leid es mir tut, einfach besser und hat, ohne daß er es gemerkt hat, ihr Geld rausgezogen und in Costa Rica angelegt. Dort lebt sie jetzt mit ihrem Geliebten, übrigens einem jungen Maler, und ist, weil sie nicht stillsitzen kann, wieder in den Beruf gegangen und macht ein weiteres Vermögen, indem sie die Costaricaner mit Mohrenköpfen versorgt.«
    »Wie kommst du auf Costa Rica?«
    »Astrid war mit Dirk dort, und beide waren begeistert. Warum können wir nicht auch so einen Urlaub machen? Manu und ich können immerhin Brasilianisch, und daß sie nur Englisch konnten und die blöden Gringos waren, war das einzige, was sie gestört hat.«
    »Mama?«
    »Manu?«
    »Was wird aus den Kindern? Wenn die Frau mit ihrem Geliebten nach Costa Rica geht – vergißt sie die Kinder einfach?« Manu ist über viele Jahre bei seinem Vater in Brasilien aufgewachsen. Brigitte hat mit ihm nie darüber gesprochen, warum sie einverstanden war, daß der Vater ihn nach Brasilien mitnahm, und er nicht mit ihr darüber, wie es ihm damit ging und geht. Jetzt guckte er sie mit seinen dunklen Augen undurchdringlich an.
    Sie guckte zurück und dann auf den Teller. Als die Tränen auf die Polenta tropften, sagte sie »ach Scheiße«, nahm die Serviette vom Schoß, legte sie neben den Teller, schob den Stuhl zurück, stand auf und ging raus. Manu sah ihr nach. Nach einer Weile stand er auch auf und ging raus. In der Tür drehte er sich zu mir um, zuckte mit den Schultern und grinste. »Frauen!«
    Später, als Manu und Turbo vor dem Fernsehapparat eingeschlafen waren, wir
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