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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord
Autoren: Schlink
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Manu zugedeckt hatten und ins Bett gegangen waren, lagen wir nebeneinander, jeder in seine Gedanken verloren. Warum hatte Welker mich angeheuert? Weil er seine Frau wegen des Geldes umgebracht hatte und jetzt befürchtete, daß ein Nachfahre des stillen Teilhabers ihm das Geld streitig machte? Ernsthafter befürchtete, als er mir gegenüber zugegeben hatte? Aber warum hatte er nicht Schuler auf die Suche nach dem stillen Teilhaber geschickt oder mich zu Schuler? Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er Schuler und das Archiv einfach vergessen hatte. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß es ihm um die Geschichte des Bankhauses zu tun war. Daß er seine Frau umgebracht hatte – auch das machte keinen rechten Sinn. Bringt man seine Frau um und heuert dann einen Privatdetektiv an, jemanden, der notorisch neugierig und mißtrauisch ist, einen Schnüffler? Dann dachte ich an unser Gespräch beim Abendessen und lachte.
    »Was ist?«
    »Du bist eine wunderbare Frau.«
    »Heiratest du mich?«
    »Ich alter Kerl?«
    »Komm her, du alter Kerl.« Sie drehte sich zu mir und fühlte sich gut an, und in ihren Armen war es wie große und dann leise Wellen und dann ruhiges Meer.
    Als sie sich zum Schlafen an mich kuschelte, spürte ich ihre Tränen. »Ihr kriegt das schon hin, Manu und du.«
    »Ich weiß.« Sie flüsterte. »Und du? Dein Fall?«
    Ich beschloß, nicht zu meinem alten Freund Hauptkommissar Nägelsbach zu gehen, mich nicht über Frau Welkers Tod zu informieren, nicht den Vater aufzuspüren, von dem Welker gesprochen hatte und der, da sein Vater tot war, ein Vater Weller sein mußte, und nicht herauszufinden, wie die Bank sich finanziell erholt hatte und jetzt dastand. Ich würde das alles lassen und, wie es sich für einen ordentlichen Privatdetektiv gehört, meinen Auftraggeber über den Stand der Ermittlungen unterrichten und fragen, ob ich die Straßburger Spur verfolgen soll. »Ich kriege das auch hin.«
    Aber da schlief sie schon.

9
Immer weiter
    Zunächst hat es mich noch nicht irritiert, daß ich keinen Kontakt zu Welker bekam. Er sei gerade nicht zu sprechen, wurde ich am Telephon mehrmals freundlich beschieden, und ob ich mit Herrn Samarin reden wolle. Am nächsten Tag teilte mir die freundliche Frauenstimme morgens mit, Herr Direktor sei den ganzen Tag nicht im Haus und ich möge es am folgenden Tag versuchen. Sie könne mich aber mit Herrn Samarin verbinden. Dieses Angebot erneuerte sie am Tag darauf und bedauerte im übrigen, Herr Direktor bleibe länger weg und komme erst später zurück.
    »Wann?«
    »Das kann ich nicht sagen. Vielleicht weiß Herr Samarin darüber Bescheid. Einen Moment.«
    »Hallo, Herr Selb. Wie stehen Ihre Ermittlungen?« Obwohl sein Akzent am Telephon noch stärker hörbar war, konnte ich ihn wieder nicht einordnen.
    »Sie machen Fortschritte. Wann kommt Ihr Chef zurück?«
    »Wir haben ihn schon gestern erwartet und rechnen heute mit ihm. Aber ich kann auch nicht ausschließen, daß es morgen wird. Am besten rufen Sie nächste Woche wieder an. Oder kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    Später bekam ich einen Anruf vom erregten, empörten Schuler. »Was haben Sie Bertram über mich gesagt?«
    »Kein Wort. Ich habe gar nicht …«
    »Und warum hat Gregor Samarin, dieses Faktotum, mich nicht zu ihm gelassen? Ich war auch sein Lehrer, und er war mein Schüler, wenn auch ein verstockter. Warum teilt er mir herablassend mit, daß er über alles Bescheid weiß und mich nicht braucht und daß Bertram mich auch nicht braucht.«
    »Herr Welker ist die Tage nicht da. Warum …«
    »Quatsch. Als ich kam, fuhren sie gerade rein, Bertram und Gregor. Ich weiß nicht, ob Bertram mich erkannt hat, ich denke nicht, er hätte mich nicht einfach stehenlassen.«
    »Wann war das?«
    »Vorhin.«
    Aber als ich noch mal in der Bank anrief, hieß es, Herr Direktor sei weiter unterwegs. Jetzt wollte ich’s wissen und fuhr nach Schwetzingen. Die Sonne schien, der Schnee war weg, in den Gärten blühten Schneeglöckchen, und es roch nach Frühling. Auf dem Schloßplatz in Schwetzingen waren die ersten Flaneure unterwegs; die Jungen hatten die Pullover lässig über die Schultern gehängt, und die Hemdchen der Mädchen ließen den Bauchnabel sehen. Die Cafes hatten ein paar Tische rausgestellt, an denen es sich im Mantel aushalten ließ.
    Ich blieb draußen sitzen, bis die Sonne ging und es kühl wurde. Ich rauchte und trank Tee, Earl Grey, weil’s sich auf Sweet Afton reimt. Ich sah, wer die Bank betrat und
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