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Verlorene Liebe

Verlorene Liebe

Titel: Verlorene Liebe
Autoren: Nora Roberts
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Prolog
    »Und was möchten Sie, daß ich für Sie tue?« fragte die Frau, die sich Desiree nannte. Ihre Stimme war weich und sanft wie Rosenblätter. Sie erledigte ihre Arbeit gut, sehr gut sogar, und immer mehr Kunden verlangten nur sie. Im Moment hatte sie einen ihrer Stammkunden am Apparat, und sie kannte seine Vorlieben. »Das will ich gerne tun«, flüsterte sie. »Schließen Sie jetzt Ihre Augen und entspannen Sie sich. Schließen Sie die Augen. Ich möchte, daß Sie alles vergessen. Ihr Büro, Ihre Frau und Ihren Geschäftspartner. Es gibt nur noch Sie und mich.«
    Als er wieder sprach, lachte sie leise und rauchig. »Ja, Sie wissen, daß ich das will. Habe ich das nicht immer gewollt? Schließen Sie nur die Augen, und lauschen Sie meiner Stimme. Wir befinden uns in einem Raum voller Kerzenlicht. Dutzende von weißen, duftenden Kerzen brennen. Können Sie sie riechen?« Sie lachte wieder leise, rauh und verlockend. »Ganz richtig. Weiß. Auch das Bett ist weiß. Groß, rund und weiß. Sie liegen darauf, nackt und bereit. Sind Sie bereit, Mr. Drake?«
    Desiree verdrehte die Augen. Es nervte sie, daß der Mann wünschte, gesiezt und mit Mister angeredet zu werden. Aber in diesem Job kamen einem alle Arten von Männern unter. »Ich verlasse gerade die Dusche. Mein Haar ist naß, und kleine Wassertropfen bedecken meinen nackten Körper. Ein Tropfen hängt an meiner Brustwarze. Als ich mich aufs Bett knie, fällt er auf Sie herab. Können Sie den Tropfen fühlen? Ja, genau, er ist so kühl, und Sie sind so heiß.« Sie unterdrückte ein Gähnen. Mr. Drake keuchte bereits wie eine Dampfmaschine. Dem Himmel sei Dank, daß er sich so leicht hochbringen ließ. »Oh, wie ich Sie will. Meine Hände wollen Sie unablässig berühren. Ich will Sie spüren und schmecken. Ja, o ja, es bringt mich um den Verstand, wenn Sie das tun. Ohhh, Mr. Drake, Sie sind wahrhaftig der Größte. Der Allergrößte.«
    Während der nächsten Minuten lauschte sie nur seinem lustvollen Stöhnen. Zuhören machte den größten Teil ihrer Arbeit aus. Mr. Drake stand kurz vor dem Höhepunkt, und Desiree warf dankbar einen Blick auf ihre Uhr. Seine Zeit war fast abgelaufen, und er war heute abend ihr letzter Kunde. Sie flüsterte ihm leise etwas zu und brachte ihn so zum Ziel.
    »Ja, Mr. Drake, es war ganz wundervoll. Sie sind wirklich der Tollste. Nein, morgen arbeite ich nicht. Am Freitag? Ja, ich freue mich schon darauf. Gute Nacht, Mr. Drake.«
    Sie wartete aufs Klicken, legte dann auf, und aus Desiree wurde Kathleen. Zweiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig, dachte sie seufzend. Um dreiundzwanzig Uhr war Schluß, und somit waren heute keine Anrufe mehr zu erwarten. Kathleen mußte noch Klassenarbeiten korrigieren und für ihre Schüler ein Pop-Quiz vorbereiten. Als sie aufstand, warf sie einen Blick auf den Telefonapparat. Dank der Telefongesellschaft und der Firma Fantasy, Incorporated, hatte sie heute abend zweihundert Dollar verdient. Lachend packte sie ihre Kaffeetasse ein. Diese Arbeit war eindeutig besser, als irgendwo hinter einer Theke Kunden zu bedienen.
     
    Ein paar Meilen entfernt betrachtete auch ein Mann sein Telefon. Seine Hand war feucht, und in seinem Zimmer roch es nach Sex, obwohl er sich allein hier aufhielt. Nur in seiner Vorstellung war Desiree bei ihm gewesen. Desiree mit ihrem weißen, tropfnassen Körper und ihrer süßen, leisen Stimme.
    Desiree …
    Sein Herz klopfte noch immer schnell, als er sich dem Bett ausstreckte.
    Desiree.
    Er mußte sie unbedingt treffen – und zwar bald.

l. Kapitel
    Das Flugzeug sauste über das Lincoln Memorial hinweg. Grace’ Aktenkoffer lag offen auf ihrem Schoß. Dutzende Dinge wollten eingepackt werden, doch sie blickte in aller Ruhe aus dem Fenster und freute sich zu sehen, wie der Boden näher kam. Was sie betraf, gab es nichts, das sich mit dem Fliegen vergleichen ließe.
    Das Flugzeug hatte Verspätung. Grace wußte das, weil der Mann auf Sitzplatz 3B sich ständig darüber beschwerte. Sie war versucht, sich über den Mittelgang zu beugen, seine Hand zu tätscheln und ihm zu versichern, daß eine zehnminütige Verspätung nun wirklich nicht den Untergang der Welt bedeutete. Aber er machte nicht den Eindruck, als sei er für solchen Trost empfänglich.
    Kathleen würde bestimmt auch schon ungehalten sein, dachte Grace. Natürlich würde sie sich nicht lautstark beschweren oder ihrem Unmut sonst wie Luft machen, sagte sie sich mit einem Lächeln und lehnte sich zurück, um sich
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