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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder
Autoren: Paul Grote
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die in Gold, Silber und Bronze gehaltene Präsentation, in Anlehnung an die in den nächsten Tagen zu verteilenden Medaillen. Die Organisatoren und das Präsidium wurden vorgestellt, Koch selbst würde als Koordinator der zwanzig Teamleiter fungieren, die am Tisch mit jeweils sechs Juroren den ordnungsgemäßen Ablauf der Proben garantierten und für die Dokumentation der Bewertungen sorgten.
    Er wird es so eingerichtet haben, dass wir möglichst wenig zusammentreffen, dachte Henry. Nach den schlechten Erfahrungen auf unserer Weinreise durch Andalusien wird er mich kaum in seiner Nähe ertragen   – und nach dem gestrigen Abend wird er jede Gelegenheit nutzen, um mich bloßzustellen. Aber er weiß auch, dass er trotz seiner Selbstüberschätzung keine Chance hat, und doch kann er mir schaden.
    Einhundertvierzig Juroren kamen hier zusammen. Jemandem die Kompetenz abzusprechen wäre Unsinn gewesen, jemandem den Willen zur Manipulation zu unterstellen ebenfalls, höchstens den Veranstaltern, nur sie hatten in alles Einblick und die Möglichkeit dazu. Wo die Schwachstellen waren, würde Henry sicher entdecken. Wer die OI V-Schirm herrschaft beanspruchte, musste sich den Regeln dieses zwischenstaatlichenVerbandes unterordnen. Einer ihrer Vertreter würde als Beobachter den gesamten Wettbewerb begleiten.
    Als Heckler darauf hinwies, dass es auf die fachliche Einschätzung eines Weins und nicht auf persönliche Vorlieben ankam, »wir sind ja vorurteilslos und unbestechlich und legen objektive Kriterien an«, konnte Henry sich das Schmunzeln nicht verbeißen. Was war objektiv? Nur industriell hergestellte Produkte ließen sich objektiv bewerten, für sie konnte ein Hundert-Punkte-Schema gelten. Beim handwerklich oder künstlerisch gemachten Wein kam es immer auch auf die Empfindung an. Auf der Weinreise durch Andalusien hatte Henry erlebt, wie Koch probierte, und seine Vorliebe für konventionell gemachte Weine bemerkt. Nun gut, es war nicht sein Problem, er würde sich an die Vorgaben halten.
    Es folgte eine Übersicht der Weine, die sie bewerten würden. Unter »Stillwein« gab es die trockenen und halbtrockenen Roten und Weißen, desgleichen beim Rosé. Liebliche Weine entsprachen nicht seinen Vorlieben, aber er würde sich bemühen   … doch bei Süßweinen zog er gern mit. Nur wenn sie schlecht gemacht waren, wenn kein Körper die Süße stützte und wenig Säure den Wein pappig machte, schmeckten sie widerlich. Genau um das zu bewerten, war er hier. Schaumwein war wie alles, das prickelte, in der Beurteilung am schwierigsten. Man benötigte Übung, um an der Kohlensäure vorbeizuriechen.
    Nachdem die Nummerierung der Flaschen erläutert worden war, wurde der Bewertungsbogen vorgestellt, den man zu jedem Wein vorgelegt bekam. Der organisatorische Ablauf wurde besprochen, wie die Bewertungsbögen zu handhaben waren, dass sie unterschrieben und an den Chef des Tisches weitergereicht werden mussten, der sie auf Vollständigkeit zu überprüfen hatte und sie abzeichnen musste. Es war ein höllischer Aufwand. Henry überschlug kurz, dass beizwanzig Teams und maximal fünfzig Weinen pro Tag in vier Tagen insgesamt etwa viertausend Weine zur Beurteilung anstanden. Wenn er diese Zahl dann noch mit der Startgebühr von hundertvierzig Euro je Flasche multiplizierte, kamen fünfhundertsechzigtausend Euro zusammen   – war das ein gutes oder schlechtes Geschäft für den Veranstalter? Seine alte Freundin Dorothea, die beim konkurrierenden Wettbewerb in Hamburg mitmachte, hatte berichtet, dass die Preise dort niedriger waren und Winzern Rabatte eingeräumt wurden, damit auch die weniger starken sich das Vergnügen leisten konnten, eine Medaille auf ihre Flaschen zu kleben.
    Nach der Vorstellung des Programms für die nächsten Tage ging das Licht an, und wie nach einer Kinovorstellung schoben sich die Önologen, Sommeliers, Großhändler, Einkäufer, Marketingdirektoren und Weinjournalisten durch den Ausgang. Man ging zum Hotel zurück, wo die viertausend Weine der Verkostung harrten. Den wichtigsten Prüfern schüttelte der Verlagschef die Hand, weniger wichtige wurden von Koch begrüßt.
    Unter den Anwesenden war außer Mendoza niemand, den Henry zu kennen glaubte. Er sah sich nach Alan Amber um, er reckte den Hals, er musste mit ihm reden, das Interview mit ihm war für den späten Nachmittag angesetzt, seine persönliche Sekretärin hatte es arrangiert, aber der Star unter den Prüfern ließ sich nicht blicken. War ihm der
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