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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder
Autoren: Paul Grote
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Er ist der Einpeitscher des Verlags oder der Kettenhund vom Chef. Nehmen Sie ihn nicht ernst.Aber ich muss jetzt da rauf, in den Saal. Sehen wir uns später im Hotel?«
    »Es gibt viele wunderschöne Ecken hier in Baden-Baden, ich werde mich ein wenig dort umsehen, wo die Russenmafia investiert hat. Angeblich hat sie einige kleine und große Hotels gekauft, auch der ›Europäische Hof‹ ist in östlicher Hand, die beste Art, Geld zu waschen, dann gehören ihr bereits an die achtzig Villen   …«
    »Ihr Italiener kennt euch mit der Mafia aus?«
    »Auch mit der Cosa Nostra, der Sacra Corona Unita, ’Ndrangheta, Camorra   … Ach, Unsinn, ich verstehe nichts davon, es wird viel gemunkelt   – aber wir treffen uns bestimmt.«
    »Auch beim ›Fidelio‹ im Festspielhaus?«
    »Nein, dafür sind die Karten abgezählt.«
    »Ich gebe dir meine, angeblich lieben Italiener die Oper. Ich hasse sie. Das Gesinge macht mich krank, ich kriege Eurodermitis davon.«
    Frank Gatow prustete los. »Du meinst Neurodermitis!«
    »Wieso? Was habe ich gesagt?«
    »Eurodermitis   …«
    Henry schloss sich dem Lachen an. »Passt auch, daran leiden nicht nur unsere griechischen Kollegen. Zwei oder drei von denen sind heute dabei, damit sie sich mal wieder richtig satt essen können, aber jetzt muss ich wirklich los. Eine Frage noch.« Er beugte sich Gatow zu. »Den Angriff auf Amber hast du fotografiert   – und was ist mit den Fotos aus dem Casino mit dem Burgunder?«
    Gatow zwinkerte ihm zu. »So was macht mir am meisten Spaß.« Er wandte sich zum Gehen.
    »Paparazzo!«, warf Henry ihm nach, und Gatow drehte sich winkend um. »Sehr richtig. Aber sag es nicht noch einmal. Das hat schon mal jemand gesagt, und der ist jetzt im Knast.«
    Wie schnell man durch ein unbedachtes Wort den wundenPunkt eines Menschen treffen konnte, dachte Henry, als er den halbdunklen Saal betrat, unschlüssig wie viele andere, wo er sich hinsetzen sollte. Wer einen Platz und einen gesprächigen Nachbarn gefunden hatte, probierte natürlich sofort das Mikrofon zwischen den Sitzen aus, aber Koch, um die Verspieltheit seiner Branchenkollegen wissend, hatte die Mikrofone ausgeschaltet. Hecklers Kettenhund bezog mit finste rem Blick am Fuß der halbhohen Bühne seinen Posten, wichtige Papiere unter den Arm geklemmt, und tat, was er allem Anschein nach am liebsten machte, er gab Anweisungen.
    Henry ließ sich weit hinten in einen der blauen Sessel fallen, stellte sich dem neben ihm sitzenden Portugiesen kurz vor, und man sprach über die Unannehmlichkeit der weiten Anreise.
    Koch durfte den Moderator spielen. Er begann mit der Laudatio auf die Baden-Baden Wine Challenge und insbesondere auf seinen Chef, Verlagsdirektor Dirk Heckler, der unter höflichem Beifall die Bühne betrat und das Wort ergriff. Er freue sich über die große internationale Bedeutung des von ihm ins Leben gerufenen Wettbewerbs, über die Beteiligung der weltweit besten Weinerzeuger, die ihre Weine zu dieser wichtigsten Prüfung in Deutschland angestellt hatten. Das Medienecho der unter Ägide der OIV stehenden Veranstaltung sei gewaltig, und man sei stolz, dass die Internationale Organisation für Rebe und Wein, die achtundvierzig Länder repräsentiere, wieder die Schirmherrschaft übernommen habe. Besonders glücklich sei er natürlich über die Anwesenheit von Alan Amber, dieser herausragenden Persönlichkeit der internationalen Weinwelt, und er bedauere, dass er aufgrund wichtiger Verpflichtungen nicht an der gesamten Challenge teilnehmen könne. Den Skandal des gestrigen Abends überging Heckler. Henry war sich nicht sicher, ob Heckler ihn als Rädelsführer der Aktion vom Vorabend begriff. Koch tat es sicherlich. Stattdessen freute sich der Verlagschef, gute Laune versprühend, dass die hier versammeltenExperten aus fünf Kontinenten mit ihrem Fachwissen, ihrer Kompetenz und ihrer Hingabe an den Beruf die Veranstaltung zu einem großartigen Erfolg werden lassen würden.
    Das Lob der Menge kam immer gut an, der Beifall war entsprechend.
»I love you all«
hätte nur noch gefehlt. Dann sagte er einige Sätze zu den »wichtigen und in der Branche hoch geschätzten Publikationen« des Verlags und zu ihrer Bedeutung für die Weinbranche, diskret das Zusammenspiel von Redaktion, Anzeigen und Preisverleihung noch einmal hervorhebend, nicht ohne gleichzeitig doppelzüngig an die Unvoreingenommenheit und Verantwortung der Juroren zu appellieren.
    Koch trat aus dem Hintergrund, er kommentierte
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