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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland
Autoren: Elke Kößling
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Reif für die Insel
     
     
Oh, to be in England
Now that April’s There …
    Robert Browning,
Home Thoughts from Abroad
     
     
    Möwen hüpfen, voller Hoffnung auf ein leicht verdientes Frühstück, von Auto zu Auto. Sie sitzen auf den Motorhauben, den Kopf schiefgelegt, und schauen die Insassen auffordernd an. Die Sonne spiegelt sich in den Scheiben. Über allem liegt ein Duft von Diesel, Fisch und Urlaub.
    Es ist 7 Uhr morgens auf dem Parkplatz von Hoverspeed in Ostende, auf dem Niemandsland hinter dem Check-In der Englandfähre, wo die Ticketausgabe einem Ritual ähnelt, die Kofferräume auf illegale Passagiere überprüft und die Fahrzeuge in die gelb numerierte Spur eingewiesen werden.
    Den Reisepaß noch zwischen den Zähnen wühlen die Reisenden in allen Autos nach Kugelschreibern, um die Bordkarten auszufüllen: Name, Vorname, Geschlecht. Liegt eine Körperbehinderung vor, die im Falle der Evakuierung des Schiffs Unterstützung der Crew erfordert?
    Ein Mitarbeiter von Hoverspeed kreuzt zwischen den Autos und sammelt die ausgefüllten Schnipsel ein. Er freut sich über das schöne Wetter und verspricht eine reibungslose Überquerung des Ärmelkanals. Es hätte uns interessiert, wie die Crew die Passagiere, die im Ernstfall Hilfe benötigen, an Bord finden will, statt dessen unterhalten wir uns über die bevorstehende Abfahrt. »Gleich geht es los«, kündigt er an, und die Möwen nicken ihre Zustimmung.
    7.30 Uhr in Ostende: Eine Lautsprecherdurchsage bittet die Reisenden, zu ihren Autos zurückzukehren. Die ersten Motoren starten, Möwen fliegen auf. Ein Mann in einer gelben Sicherheitsweste winkt, die Kolonne in Reihe 3 setzt sich in Bewegung. »Klack, klack« heißt der Katamaran jedes Auto willkommen, das über seine Rampe fährt. Mitarbeiter mit Piratengesichtern in öligen Overalls weisen den Fahrzeugen ihre Plätze zu. Zwei rechts, drei links. Rückwärts die Rampe hoch und auf der Stelle gewendet. Stop! Gang einlegen, Handbremse ziehen. Während sich die Passagiere aus den dicht aneinandergeparkten Fahrzeugen zwängen, suchen andere bereits ungeduldig und orientierungslos den Aufgang aus den Gedärmen des Schiffs zum Licht, Richtung Restaurant und Shop.
    Jede Überfahrt ein Abenteuer, kommentiert ein zahnloser Einweiser mit breitem Grinsen und zurrt gekonnt und flink die Reifen fest.
    Eine Weile noch begleiten uns die Appartementhäuser entlang der belgischen Küste. Dann dreht der Superseacat ab, gen Norden, und beginnt, sich leicht auf den Wellen zu wiegen: Wir kreuzen den Kanal. Der Kapitän meldet sich zu Wort und bedauert mit Grabesstimme »a slight deterrrrrriorrration of The weaTherrrrr«, eine geringfügige Verschlechterung des Wetters. Die Wogen rollen mindestens genauso schön wie die »Rs« des unsichtbaren Captains.
    Der Lautsprecher räuspert sich wieder, einmal, zweimal. Eine schrille Frauenstimme verkündet, daß in Kürze der Shop geschlossen wird. Erst auf englisch, dann auch noch auf holländisch und französisch, bis überall Leute aufspringen, um noch einmal in den travel value -Laden zu stürmen, der keine zollfreie Ware mehr verkaufen darf, aber Preise unter englischen high street prices verspricht. Die Ansage verschweigt, daß das keine Kunst ist und der angepriesene Whisky und Wodka, die edlen Wässerchen von Armani und Lagerfeld auf dem Kontinent entschieden preiswerter zu erwerben sind.
    Wahre Englandtouristen kümmert das herzlich wenig. Sie drücken sich an den gischtbespritzten Fenstern die Nase platt und warten darauf, einen ersten Blick von der Insel zu erhaschen. »Da!« ruft der erste stolz, als habe er England soeben entdeckt. »Die Klippen von Dover!«
    Immer näher rücken sie, bis sie weiß und majestätisch in der Morgensonne leuchtend vor uns liegen. Der Superseacat gleitet langsam in den Hafen. Die Autopassagiere werden aufgefordert, zu ihren Fahrzeugen zurückzukehren. Alles drängt sich auf der Treppe, versucht, sich zu erinnern, auf welcher Etage das Auto steht. Die ersten kämpfen sich bereits verschämt grinsend vom Untergeschoß zurück nach oben. Irgendwann hat auch der letzte seinen Wagen gefunden. Flott schickt die Crew die Reisenden hinaus in den englischen Morgen.
    »Links fahren« erinnern Schilder in regelmäßigen Abständen. Möwen begrüßen mit lautem Kreischen die Neuankömmlinge, im Hafen bereiten sich Segelboote auf die Ausfahrt vor. Auf der Pier stehen Angler, neben ihnen Plastikeimer und Thermos- kannen.
    Auf dem Weg zur Paßkontrolle
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