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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz
Autoren: Federica de Cesco
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BLANVALET
    Umwelthinweis
    Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend.
    Blanvalet Taschenbücher erscheinen im Goldmann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House.
    6. Auflage
    Taschenbuchausgabe September 1999
    © 1997 by Paul List Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Design Team München
    Umschlagfoto: G+J/Photonica
    Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin Druck: GGP Media, Pößneck
    Verlagsnummer: 35.147
    Lektorat: SK
    Herstellung: Heidrun Nawrot
    Made in Germany
    ISBN 3-442-35147-2
    Für Amalia Hadass, Jerusalem, die am Anfang des Romans steht.
    Für Tomihisa Hida, Priester im Ichihime-Schrein, und Shinichi Fujino, Priester im Yasaka-Schrein in Kyoto.
    Ganz besonders für Sadatoshi Gassan, den Meister des Feuers.
    Und wie immer für Kazuyuki.
    Einige Personen, die in diesem Buch vorkommen, existieren.
    Der japanische Konsul Chiune Sugihara ist eine historische Figur. Ich habe mich bei einigen Passagen auf Yukiko Sugiharas Autobiographie »Visa für sechstausend Leben« (Editions Philippe Picquier) gestützt. Dennoch ist es wichtig zu betonen, daß die hier geschilderten Ereignisse zumeist frei erfunden sind.
    »O sprich ein Gebet, inbrünstig und echt Für die Seher der Nacht, das gequälte Geschlecht.«
    Annette von Droste-Hülshoff
    »Eine rote Libelle auf der Hand meiner Großmutter.«
    Yoko Morishita
    Prolog
    H ör zu, das war im vergangenen Winter; wir kannten uns noch nicht. Die Menschen sind zahlreich wie die Sterne. Ein Wunder, nicht wahr, daß unsere Wege sich kreuzten? Ein Wunder, oder vielleicht auch nicht. Da ist oft etwas, das wir nicht erkennen, und ein Zusammenhang, den wir erst später sehen. Das Licht eines Sterns erreicht uns erst Millionen Jahre, nachdem er erloschen ist, und in kleinen Dingen geht es ebenso, bloß finden wir es selten der Mühe wert, uns über Zweck und Ursache den Kopf zu zerbrechen.
    Aber ich bin eine Tänzerin; das ist eine Eigenschaft, die mich klarsichtig macht. Tagträume sind wunderbar gespenstisch.
    Man kann sie zu Inszenierungen verarbeiten, alle möglichen Gedanken in Gang bringen, aus Abstraktionen Emotionen machen. Die szenische Fabel gibt die Voraussetzung dafür.
    Vor drei Jahren hatten Alwin, Pierre und ich eine kleine Tanzgruppe gegründet: Wir nannten uns »Nachtflug«. Der Name ging auf einen – verschämt vorgebrachten – Vorschlag von Pierre zurück und auf eine weit zurückliegende Schwärme-rei für Saint-Exupéry; damals war er zwölf gewesen und vor-bildsbedürftig. Ich verstand unter »Nachtflug« etwas anderes, aber meinetwegen. Der Name warf mich in kein geistiges Di-lemma. In gewisser Weise fand ich ihn sogar virtuos. Auch Alwin war sofort einverstanden gewesen.
    Im Frühjahr hatte man uns für eine Tanztherapie mit geistig und motorisch Behinderten vorgeschlagen. Die Klinik »Wacholderhaus«, bei Lausanne, war auf diesem Gebiet sehr fortschrittlich. Die Stiftung beherbergte etwa hundert Patienten, Jugendliche zumeist, aber auch Erwachsene. Manche saßen im Rollstuhl, andere waren völlig gelähmt. In der neu-rologischen Abteilung hatte man mit Bewegungstherapien Erfolg gehabt. Mein Vater war ein bekannter Neurologe gewesen, und Alwin befaßte sich mit Sportmedizin; deswegen, nehme ich an, hielt man uns für geeignet. Ich hätte gewiß nicht sagen können, was ich mir von dieser Arbeit erhoffte; anfänglich ging es mir darum, meine choreographischen Recherchen zu vertiefen. Dazu kam, daß wir Geld brauchten und um jedes Engagement froh waren. Doch allmählich entdeckte ich anderes. Diese Welt war wie ein Spiegel, ich steckte mitten drin. Als Tänzerin ging ich nicht sachbezogen vor, wie eine Ärztin. Ich hatte schnell bemerkt, daß ich den Patienten keine Methode aufzwingen konnte und auch keinen raschen Heilerfolg erwarten durfte. Die Besserung – wenn überhaupt – trat unerwartet ein. Alwin, Pierre und ich sind besonnene Menschen; wir haben die Begabung dazu. Das sprichwörtliche Im-Kreis-Herumlaufen machte uns nichts aus. Manche Patienten waren schwer geistig behindert, andere stießen mit wachem, wißbe-gierigem Geist gegen die Wände ihres Körpers an, den sie als apathisches Fleisch empfanden. Sie hatten Gedanken, die vielleicht ganz anders waren als alles, was wir uns vorstellen konnten. In der Liebe gibt es diese Wahnvorstellung, daß wir unsterblich sind. Für die Menschen in der Klinik gab es die Wahnvorstellung, daß sie lebend tot waren. Daran starben viele, an dieser
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