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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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erschrocken barg sie ihren Kopf an Markus’ Schulter und begann zu zittern.
    Einen kurzen Moment standen die vier einfach nur da. Von weitem sahen sie vermutlich aus wie zwei verliebte Pärchen, die den wunderschönen Tag zu einem romantischen Spaziergang nutzten. Erst nach einigen Sekunden, in denen nur ihr aufgeregtes Keuchen zu hören war, fragte Markus in die Stille: »Um Gottes willen, Vatter, was ist da los?«
    »Ihr geht wieder auf den Weg zurück. Das ist kein Spaß!« Der Kommissar hatte sich endlich gefangen, schob Yumiko zu seinem Sohn und näherte sich langsam dem leblosen Körper. Erst jetzt erkannte er, dass die schwarze Kleidung des Mannes ein Taucheranzug war.
    Seine Nackenhaare stellten sich auf, als er die Ausmaße der roten Lache aus der Nähe sah. Der Mann musste praktisch völlig ausgeblutet sein. Er drehte sich zu Markus um, der ihn fragend ansah.
    »Er ist …«, er musste sich räuspern, bevor er fortfahren konnte. »Er ist tot. Bei dem Blutverlust und der Kälte …«
    Als er dies sagte, begann Erika zu schluchzen. Erst jetzt wurde Kluftinger bewusst, wie schrecklich dies alles für die beiden Frauen sein musste.
    Sein Sohn, der Psychologie studierte und sich auf forensische Psychiatrie und Kriminologie spezialisiert hatte, hatte schon ein paar Tote zu Gesicht bekommen. Aber Erika und Yumiko? Er lief zu ihnen zurück und sagte keuchend: »Bitte, Markus, bring die beiden doch endlich weg. Erika, sei ganz ruhig, es …« Er überlegte kurz, was er sagen konnte, um die Situation für seine Frau erträglicher zu machen, doch es fiel ihm nichts ein.
    »Es wird schon wieder gut«, brachte er schließlich heraus, und noch während er die Worte sprach, merkte er, wie absurd sie klangen. Nichts würde gut. Hatte man einmal eine Leiche gesehen, zumal eine, die so schrecklich zugerichtet war, veränderte sich etwas. Auch er hatte das erfahren. Es waren vor allem die Bilder, die blieben. Die einen zu den unmöglichsten Momenten heimsuchten. Vor denen es kein Entrinnen gab. Es war noch mehr. Er hatte nicht gewollt, dass Erika so etwas widerfuhr. Aber nun war es zu spät.
    Er zog sein Handy aus der Tasche, tippte eine Nummer ein und hielt es ans Ohr. Als er nichts hörte, schaute er aufs Display und fluchte: »Zefix, kein Netz! Wofür hat man die Dinger denn überhaupt?« Mit diesen Worten steckte er das Telefon wieder weg, überlegte kurz und sagte dann ruhig und mit einer Schärfe, die Markus selten bei ihm gehört hatte: »Du schaust jetzt sofort, dass du mit den Frauen zu dem Gasthof da hinten kommst, und klingelst den Besitzer raus. Ruf dann auf der Stelle in Kempten bei der Einsatzleitung an und sag, die sollen den Erkennungsdienst schicken. Den Willi Renn, falls er im Lande ist, hörst du?«
    Als Markus keine Anstalten machte, zu gehen, schob er nach: »Sofort, klar? Und bestell für die beiden was Warmes zu trinken, das kann eine Weile dauern hier.«
    Langsam setzte sich Markus mit den beiden Frauen in Bewegung. Erst, als die drei nicht mehr zu sehen waren, ging Kluftinger wieder zur Leiche. Er war nun ganz allein mit dem leblosen Körper. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ihnen zu folgen und einfach auf das Eintreffen der Kollegen zu warten. Doch er verwarf ihn gleich wieder. Er musste hier bleiben und zumindest sicherstellen, dass niemand sich dem Leichnam näherte. Außerdem hatte er dafür Sorge zu tragen, dass ab jetzt keine Spuren mehr verwischt wurden. Willi würde sonst zu Recht außer sich sein.
    Willi! Kluftinger wünschte sich, der Chef des Erkennungsdienstes wäre hier. Denn dies war für den Kommissar eine völlig ungewohnte Situation. Normalerweise war er so ziemlich der Letzte, der an einen Tatort kam. Dann herrschte bereits geschäftiges Treiben: Blaulichter, umhereilende Menschen, Stimmenge wirr – das war die Atmosphäre, die er von Tatorten kannte. Nicht diese gespenstische Stille.
    Natürlich beklagte er sich regelmäßig darüber, schimpfte, dass er sich bei so einem Tumult nicht richtig konzentrieren könne, dass das kein Arbeiten sei bei diesem Lärm und dass sie sich nicht im Wirtshaus befänden. Aber erst jetzt wurde ihm klar, dass gerade diese Rituale ihm eine gewisse Sicherheit gaben. Dass sie ihm halfen, seine chronische Leichenunverträglichkeit besser in den Griff zu bekommen. Doch nun war er allein. Und der leblose Körper neben ihm ließ ihn dies besonders deutlich spüren.
    Vorsichtig drehte er den
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