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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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ansehen muss.«
    Kluftingers Pulsschlag verlangsamte sich wieder. Das schien ja ein ganz patentes Mädle zu sein. Und was sie da über ihre Landsleute gesagt hatte, das war von einer bewundernswerten Selbsterkenntnis. Genauso dachte er doch auch! Er wollte ihr eifrig beipflichten, als ihm sein Sohn zuvorkam: »Na ja, im Ausland sind die Deutschen auch nicht viel besser. Besetzen morgens um sechs schon ihre Liegestühle, von wo aus sie dann ihre bleichen Bäuche in die Sonne strecken. Ob sie in Italien, Spanien oder der Türkei sind, ist ihnen dabei egal, vielleicht wissen sie es manchmal gar nicht. In den Anlagen sieht es ja auch immer gleich aus. Und unter landestypischer Küche verstehen sie die landestypisch deutsche. Also Bratwurst, Jägermeister, Warsteiner und paniertes Schnitzel!«
    Erika, deren Harmonie-Radar einen aufkeimenden Vater-Sohn-Konflikt ortete, die sich ihren vorweihnachtlichen Familienfrieden aber nicht von einem Generationenstreit zunichte machen lassen wollte, mischte sich mit den Worten »Schwarze Schafe gibt’s halt überall!« ein. Während sie dies sagte, fixierte sie ihren Mann mit stechendem Blick. Jeder Versuch, das Thema weiter zu vertiefen, hätte die wohlbekannte Mutter-Sohn-Allianz wieder hergestellt, das wusste Kluftinger. Yumiko schien die Einzige zu sein, die ihm seinen Ausspruch von eben nicht übel nahm.
    Deswegen lenkte er ein und sagte: »Ich mein nur, da müssen wir ja so lang anstehen und vergeuden unseren ganzen Tag. Aber wenn ihr, also wenn die Miki …«
    »Schon recht, Vatter. Die Miki hat eh schon gesagt, dass sie nicht unbedingt aufs Schloss will. Sie steht nämlich nicht auf plakative Alpenromantik. Stell dir vor: Obwohl sie Japanerin ist!«
    »Vielleicht fahren wir zum Forggensee«, schlug Kluftinger vor, nun ehrlich bemüht, die Situation zu retten und sich als vollendeter Fremdenführer zu präsentieren.
    Zu seiner großen Überraschung wurde seine Idee sofort positiv aufgenommen.
    Zehn Minuten später saßen alle in Kluftingers altem Passat und fuhren in Richtung Füssen. Dass Kluftinger auf dem Weg zum Auto unaufgefordert Yumikos Gepäck getragen hatte, hatte er für einen großen Akt weltmännischer Höflichkeit gehalten, der ihm bestimmt auch Pluspunkte bei seiner Frau einbringen würde. Die hatte es aber einfach nur als selbstverständlich angesehen.
    »Hast du das gewusst?«
    »Hm?«
    »Hast du das gewusst, mit der Japanerin?« Kluftinger drehte das Radio lauter und beugte sich zu seiner Frau.
    »Ich versteh dich nicht. Ob ich was gewusst habe?«, erwiderte Erika laut.
    Markus und Yumiko blickten auf.
    »Ob … äh … ihr gewusst habt, dass es auf dem Forggensee ein Schiff gibt, wollt ich wissen.«
    Markus und Erika runzelten die Stirn. Natürlich wussten sie das.
    »Ja, Yumiko, einer der tollsten Seen überhaupt ist das, der Forggensee«, tönte der Kommissar stolz. »Und seit einigen Jahren gibt es da ein Musical-Theater. Da spielt man nur ein einziges Stück, das Ludwig-Musical. Das Haus hat man extra dafür gebaut. Toll, gell?«
    Yumiko hörte aufmerksam zu.
    »Bayern hat früher nämlich einen König gehabt. Der hat viele Schlösser gebaut. Übrigens auch Neuschwanstein. Und von diesem König handelt das Stück. Man nennt ihn auch den Märchenkönig.«
    Yumiko erwiderte begeistert: »Dann wird Sie bestimmt auch die Diplomarbeit von Frank, Markus’ Freund, interessieren. Worum geht’s da noch? Ach ja, die ›Analyse historischer Fakten über König Ludwig II. von Bayern und deren historisierend-dramatische Adaption auf der Bühne‹. Stimmt’s?«
    Markus nickte.
    Kluftinger sah sie entgeistert im Rückspiegel an und sagte dann nach einer Pause: »Ja, Markus, die Arbeit musst du mir unbedingt mal geben. Das Thema … beschäftigt mich auch schon eine ganze Weile.«
    Einige Minuten fuhren sie, ohne dass jemand etwas sagte, dann platzte Kluftinger heraus: »Märchenkönig heißt der übrigens, weil er so verschnörkelte Sachen gebaut hat. Wie im Märchen eben. Und der König war auch ganz oft hier am Forggensee. Da ist er dann auch gestorben. Unter ganz mysteriösen Umständen ertrunken und nur sein Leibarzt Doktor Gulden war dabei. Man weiß es nicht, aber der hatte vielleicht auch was damit zu tun.« Kluftinger ging immer mehr in seiner Rolle als Reiseführer auf.
    »Gudden und Starnberger See, den Forggensee gab es damals noch gar nicht. Aber der Rest stimmt ungefähr, gell Vatter?«
    »Für was lässt man dich schließlich studieren?«, brummte
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