Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
Vom Netzwerk:
bückte sich und hielt ihr schließlich verlegen lächelnd die Brille hin.
    »Hier, bitte. Verloren. Your sunbrill, Miss. Please!«
    Noch bevor die Frau antworten konnte, ertönte hinter Kluftinger eine vertraute Stimme.
    »Ja Vatter, habt ihr euch schon bekannt gemacht!«
    Er drehte sich um. Fragend blickte er in das Gesicht seines Sohnes. Er war so perplex, dass er vergaß, ihn zu begrüßen.
    »Wo ist denn Mama?«, fragte Markus mit breitem Grinsen.
    Verwirrt deutete Kluftinger auf Erika.
    »Wie jetzt ›bekannt gemacht‹?«, fragte er verdutzt, doch sein Sohn wurde schon heftig von seiner Mutter geherzt. Während Kluftinger noch über Markus’ Worte sinnierte, hörte er hinter sich eine glockenhelle Stimme.
    »Ja, das ist ja ein Zufall, nicht wahr? Dann darf ich mich mal vorstellen: Ich bin also die Yumiko. Und vielen Dank für die Sonnenbrille, Herr Kluftinger. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie mir aus dem Haar gerutscht ist.« Mit einem strahlenden Lächeln blickte die hübsche Asiatin von eben den Kommissar an und wartete auf eine Antwort.
    Erst nach und nach sickerte die Erkenntnis durch, dass vor ihm Markus’ neue Freundin stand. Ihr Deutsch ist absolut akzentfrei, schoss es Kluftinger durch den Kopf. Yumiko … Miki: Dafür stand also die Abkürzung. Warum hatte Markus ihnen aber auch nichts verraten? Dann wäre er jetzt nicht dagestanden wie ein begossener Pudel.
    Die junge Frau wurde etwas unsicher und Kluftinger war klar, dass er nun etwas sagen musste. »Ich, … schön, ja, gut … bin also der Vater … Fräulein«, krächzte er verlegen. Seine Wangen glühten. Ihm war bewusst, dass die Aktion von vorhin für ewig in den Bestand jener Geschichten aufgenommen werden würde, die bei Familienfeiern immer dann erzählt wurden, wenn die Gespräche ins Stocken gerieten und man zur Auflockerung einen Idioten brauchte, über den man lachen konnte.
    »Sagen Sie doch bitte Miki zu mir, das tun alle.« Ihr tadelloses Deutsch klang nach seiner tölpelhaften Ansprache in seinen Ohren wie Hohn. Weil er immer noch wie erstarrt dastand, schob sich Erika an ihm vorbei und umarmte die junge Frau, als wäre sie ihre beste Freundin. Seine Frau war viel offener und aufgeschlossener als er, und die meisten Leute hätten wohl gesagt, auch herzlicher. Sie schien nicht im Geringsten verunsichert, weil Miki eine Asiatin war, und wenn, ließ sie es sich nicht anmerken. Oder hatte sie davon gewusst und es ihrem Mann verschwiegen? Er hatte ja nichts gegen Ausländer. Um Gottes willen, nein. Auch wenn er fremden Kulturen gegenüber immer etwas zurückhaltend war, fand er andere Lebensweisen durchaus interessant und respektierte sie auch. Er schaute sogar ab und zu das Auslandsjournal im Fernsehen an.
    Aber dieses Interesse beschränkte sich auf die Rolle des Beobachters. Sobald er – meist von seiner Frau – genötigt wurde, an diesen fremden Kulturen aktiv teilzuhaben, wuchs im Kommissar der Argwohn. Immer wenn Erika versuchte, fremdländische Ideen in Form von ausländischem Essen, exotischen Früchten oder Sprachlern-Kassetten zu Hause einzuschleusen, streikte er.
    »Komm jetzt, wir gehen!«, riss ihn Erika aus seinen Gedanken und zupfte ihn am Ärmel. Er stand noch immer wie angewurzelt da, was ihm schlagartig bewusst wurde und noch einmal einen Hitzeschub verursachte.
    »Wohin?«, wollte er wissen. Seine Stimme klang belegt. Er nahm sich vor, sich von nun an so normal wie nur irgend möglich zu verhalten und sich nichts mehr anmerken zu lassen.
    »Na, aufs Schloss!«, lachte Erika.
    »Also«, Kluftinger blickte in Richtung der Menschenmassen, die sich mittlerweile durch die langen Absperrungsreihen vor den Kassen schlängelten, »ich glaub, wir lassen das heut. Schaut mal, wies da zugeht. Da sind wieder die ganzen Japaner umeinander!«
    Wie ein kleines Kind, das nach einem Sturz einige Augenblicke braucht, um den Schmerz zu realisieren, benötigte auch Kluftingers Gehirn ein paar Sekunden, um die Worte zu verarbeiten. Dann brach die Scham über das eben Gesagte wie eine heiße Woge über ihn herein. Erika starrte ihn entsetzt an, Markus musterte ihn mit zusammengekniffen Augen – nur Yumiko begann plötzlich schallend zu lachen.
    »Ich weiß«, gluckste sie. »Manchmal hab ich das Gefühl, meine Landsleute haben Angst, dass man ihnen die Sehenswürdigkeiten wegnimmt, wenn sie nicht schnell genug hinrennen. Und diese vielen Fotos, die sie machen! Ich frage mich immer, wer wohl all die schrecklichen Bilder zu Hause
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher