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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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gesehen hat, was los war, ist er gleich wieder abgetaucht.«
    »Hm.« Kluftinger war zu kalt, um ausführlicher auf den Hinweis seiner Kollegin zu reagieren.
    Als sie das Ufer erreichten, wurden sie von besorgt dreinblickenden Sanitätern in Empfang genommen. Strobl, der an Land das Kommando übernommen hatte, kam auf ihn zu. Sofort gab man Marx und Kluftinger Notfall-Kleidung, die sie anzogen, warf ihnen anschließend wohlig warme Decken um, heißer Tee wurde ihnen gereicht, und die Lebensgeister kehrten langsam in ihre Körper zurück.
    Am inzwischen von zahlreichen Scheinwerfern und Blaulichtern hell erleuchteten Ufer standen die alten Männer wie betäubt. Auch die Historiker waren inzwischen eingetroffen. Schnalke saß apathisch im Fond eines Krankenwagens und ließ sich den Blutdruck messen. Er tat dem Kommissar leid. Sicher hatte er einen schweren Schock erlitten.
    »Seht mal, was ich da aus dem Wasser gefischt habe«, rief plötzlich ein Polizist hinter Kluftinger. Er drehte sich um und sah den zweiten Taucher, der, ebenfalls in Handschellen, in einen Polizeibus verfrachtet wurde. Marx nickte dem Kommissar zu. Er nickte zurück und ein Lächeln huschte über seine Lippen. Sie hatten es tatsächlich geschafft.
    In diesem Moment stieg Pius Ackermann aus einem der Polizeiwagen. Kluftinger konnte sich nicht erklären, warum sie ihn hierher gebracht hatten, doch nun beobachtete er gebannt den hoch gewachsenen Mann, der, von zwei Polizisten begleitet, mit erhobenem Kopf auf die sechs alten Männer zuschritt. Johann Röck drehte sich weg, die anderen starrten ihn unbewegt an.
    Keiner sagte etwas, auch keiner der Beamten. Sie alle spürten die Spannung, die in der Luft lag. Für manche war es wahrscheinlich das erste Wiedersehen nach mehr als sechzig Jahren. Was würde sich in den nächsten Augenblicken hier abspielen? Kluftinger beschloss, den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    Michael Appel war der Erste, der der Spannung nicht mehr standhielt. Seine Augen füllten sich mit Tranen und er brach in ein erbärmliches Schluchzen aus. Sein ganzer Körper wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
    Da begann Ackermann zu sprechen: »Kameraden«, sagte er, doch er legte all seine Verachtung und seinen Zorn in dieses Wort. »Wenn wir zusammengehalten hätten, wie wir es uns hier geschworen haben, vor sechzig Jahren …«
    »Du warst nie einer von uns«, schnitt Wagner ihm das Wort ab. Seine Augen waren hasserfüllt. »Nur ein dummer Zufall hat dich in dieser Nacht in unsere Einheit verschlagen, das weißt du genau«, geiferte er.
    »Du kannst von Glück sagen, dass du noch …«
    Plötzlich weiteten sich Wagners Augen und er wurde bleich. Die anderen folgten seinem Blick und auch sie erstarrten: Jeweils zwei Polizisten schleppten die beiden Kisten ans Ufer, die die Taucher aus dem See geborgen hatten, und stellten sie vor Kluftinger ab. Alle traten respektvoll ein paar Schritte zurück, so dass sich ein Kreis um den Kommissar und die Truhen bildete.
    Das Metall hatte im Lauf der Jahrzehnte eine grüne Farbe angenommen, teilweise war es mit einer zentimeterdicken, verkrusteten Dreckschicht überzogen. Nur das reliefartig hervorstehende Hakenkreuz verriet noch ihre Herkunft.
    Zwei Beamte in Uniform traten vor, um sie zu öffnen, doch sie schafften es nicht. Alles Klopfen, Hämmern, Zerren und Drücken hatte keinen Erfolg.
    »So wird das nichts, die Dinger sind verlötet wie Panzerplatten«, rief Ackermann ihnen spöttisch grinsend zu.
    »Das haben wir gleich«, sagte einer der Feuerwehrmänner und kam kurze Zeit später mit einem Schweißbrenner wieder. Kluftinger trat ein paar Schritte zurück und wandte seine Augen ab, als eine grelle Flamme aufleuchtete und Funken in alle Richtungen stoben.
    »Nicht direkt in die Flamme sehen«, riet er Appel, der neben ihm stand, doch der schien wie hypnotisiert. Erst als Kluftinger ihn am Arm packte, löste sich seine Spannung. Er sah den Kommissar an.
    »Jetzt, wo alles vorbei ist, kann ich nicht glauben, was wir alles getan haben, nur für, für …« Seine Augen füllten sich wieder mit Tränen.
    Kluftinger nutzte den Augenblick und stellte ihm die Frage, die ihn die ganze Zeit schon gequält hatte: »Warum haben Sie die Dinger denn nicht schon früher geholt?«
    Nun wandte sich auch Wagner dem Kommissar zu: »Meinen Sie, wenn wir es gekonnt hätten, wir hätten es nicht längst getan? Erstens wussten wir nicht genau, wo sie lagen. Und viele von uns waren in Gefangenschaft, danach mussten
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