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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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mit voller Geschwindigkeit auf das andere Boot zu und rammte es so heftig, dass der Mann herausgeschleudert wurde und ebenfalls im See landete. Kluftinger wäre selbst beinahe aus dem Boot gefallen, konnte sich aber gerade noch am Rand festkrallen. Sein Motor gab ein glucksendes Geräusch von sich und erstarb.
    Blitzschnell wendete der Kommissar sein Schlauchboot und hielt auf seine Kollegin zu, deren strampelnde Bewegungen allmählich langsamer wurden. Dem Kommissar war klar, dass sie so höchstens ein paar Minuten überleben könnte. Als er sie erreicht hatte, drosselte er den Motor und zog sie ächzend aus dem Wasser.
    Beinahe wären sie dabei gekentert, doch schließlich lag Friedel Marx nach Luft japsend im Trockenen. Aber Kluftinger hatte keine Zeit, sich weiter um sie zu kümmern, denn im Augenwinkel sah er, wie der Taucher ebenfalls versuchte, wieder in sein Boot zu klettern. Der Kommissar blickte ans Ufer, doch die anderen waren zu weit entfernt, als dass sie ihnen hätten helfen können. Nur schemenhaft nahm er sie durch das dichte Schneetreiben wahr.
    »Geht’s?«, fragte er seine Kollegin, hektisch zwischen ihr und dem Taucher hin und her blickend.
    »Ja, schnappen Sie ihn sich«, presste Marx hervor.
    Reflexartig zog Kluftinger seinen Mantel aus, warf ihn über sie und ging schwankend zum Bug. Der Wind hatte die Boote zusammengetrieben und während sich der Taucher gerade in sein Boot wälzte, sprang Kluftinger mit einem Satz zu ihm hinüber. Allerdings hatte er den Wind nicht mit einberechnet, verlor das Gleichgewicht und landete schmerzhaft auf der Schulter. Blitzschnell zog er seine Waffe, doch der Mann im Taucheranzug hatte sich inzwischen aufgerichtet und schlug sie ihm mit dem Fuß aus der Hand. Kluftinger sah noch, wie sie in hohem Bogen aus dem Boot geschleudert wurde, da durchzuckte sein Bein ein stechender Schmerz. Wie ein Berserker hieb der Taucher mit dem Fuß auf ihn ein.
    In einem Akt der Verzweiflung holte Kluftinger mit dem rechten Bein aus und traf den Mann so heftig, dass der den Halt verlor und ihm entgegenfiel. Sofort packte er den Kommissar und versuchte nun, ihn mit der Faust zu treffen.
    Da schlug Kluftinger zurück und landete einen Treffer am Kinn des Mannes, der benommen zurücktaumelte. Kluftinger nutzte diesen Moment, um sich aufzurichten, doch als er stand, erstarrte er. Der Taucher saß vor ihm auf den Boden und richtete einen metallischen Gegenstand auf ihn: eine Harpune. Er schluckte. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg, doch der Mann folgte mit der Harpune jeder seiner Bewegungen.

12. Februar 1945, 2.35 Uhr

    Der Regen prasselte auf den schlammigen Weg. Die verwachsenen, kahlen Äste der Laubbäume ächzten unter der Gewalt des Sturms. Daneben bogen sich einige Fichten so stark, dass es aussah, als duckten sie sich vor den Naturgewalten. Sturzbäche aus braunem Schmelz- und Regenwasser ergossen sich in den See und ließen seinen Pegel dramatisch ansteigen.
    Plötzlich schwoll das Tosen an, schien mit einem Mal noch bedrohlicher – dann durchschnitt ein einzelner Scheinwerfer die Dunkelheit des Ufers. Ein Scheinwerferpaar folgte, dann noch eines. Knatternd kämpfte sich ein Motorrad mit Beiwagen das sumpfige Sträßchen entlang. Die zusammengebissenen Zähne des Mannes auf der Maschine reflektierten das spärliche Licht. Hinter ihm dröhnte der Dieselmotor eines Lastwagens und ließ den Boden erzittern, ein weiteres Motorrad bildete die Nachhut.
    Der Lärm auf der Pritsche des Lastwagens war ohrenbetäubend. Das Getöse des Motors und der Räder drang von unten ungedämpft in den Innenraum, von oben peitschte der Regen gegen die Plane. Die Gesichter der jungen Männer, die darin auf den harten Holzlatten saßen, waren bleich. Ihre Uniformen waren durchnässt, die Stiefel von einer dicken Schlammschicht überzogen. Vor einer Stunde hatten sie noch tief schlafend in ihren Betten gelegen, dann waren sie gekommen. Hatten Befehle gebrüllt, sie zur Eile angetrieben, alle Fragen nach dem Ziel abgeschmettert. Befehle stellte man in diesen Zeiten nicht mehr in Frage.
    Einer von ihnen war in der Eile die Treppe heruntergestürzt, doch sie hatten keine Zeit gehabt, sich um ihn zu kümmern. Der Feldwebel hatte ihn kurzerhand mit einem jungen Mann aus einer anderen Einheit ersetzt. Eigentlich war er fast noch ein Kind, und doch war er höchstens ein Jahr jünger als sie.
    Die Fahrt hatte nicht lange gedauert, dann hatten sie angehalten. Am Schloss. Verwirrt hatten sie sich
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