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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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einem regelrechten Niesanfall durchgeschüttelt. Er lag dick eingepackt in sein Bettzeug auf der Wohnzimmercouch, seine Stirn zierte ein feuchter Waschlappen, vor ihm stand ein orangefarbenes Kunststofftablett mit einer Thermoskanne, einer Tasse, einigen Medikamentenschachteln, Hustenbonbons, Vitamintabletten und zahlreichen benutz ten Taschentüchern darauf.
    »Vatter, jetzt lass uns das heuer halt mal machen, wir werden das schon ohne dich hinkriegen«, seufzte Markus, der mit seiner Freundin Yumiko gerade den Weihnachtsbaum schmückte.
    »Ich hab Heiligabend immer den Christbaum geschmückt. Noch nie in all den Jahren, in denen wir hier wohnen, hab ich mir das nehmen lassen. Noch …« Auf den Niesanfall von vorhin folgte ein rasselnder Husten, worauf Frau Kluftinger ins Wohnzimmer gelaufen kam und besorgt fragte, ob ihr Mann seine Medizin auch genommen habe.
    »Ich ernähr mich seit Tagen von nix anderem mehr als von Medizin«, antwortete er heiser. »Und hat’s was genützt?« Er ließ der Frage ein demonstratives Schniefen folgen.
    »Da! Da müssen noch Kugeln und eine Kerze hin«, sagte er, nachdem er dem jungen Paar eine Weile zugeschaut hatte, und deutete kraftlos und vage auf den Baum. Auch den hatte er heuer nicht selbst kaufen können und entsetzt mit ansehen müssen, wie Markus eine ausladende, wahrscheinlich sündteure Blautanne ins Wohnzimmer geschleppt hatte.
    »Vatter, jetzt schlaf! Sonst kriegst du von der Bescherung heut Abend auch nix mit.«
    Beleidigt schob sich Kluftinger den Waschlappen mit zittrigen Fingern über die Augen und fiel sofort in einen unruhigen Schlaf.
    Als er wieder erwachte, war es bereits dunkel und das Haus erfüllt vom Duft einer deftigen Soße. Jedenfalls meinte er, ein Ansatz dieses Duftes habe sich in die Eukalyptus-Kamille-Wolke gemischt, die ihn seit Tagen umgab. Wie jedes Jahr gab es auch heuer »Gschwollene« mit Kartoffelsalat, wie jedes Jahr würden sie Punkt sieben Uhr essen, singen und sich schließlich über die nach Kluftingers Ansicht viel zu zahlreichen und kostspieligen Geschenke hermachen. Doch diesmal war es eben nicht wie jedes Jahr, denn Kluftinger fühlte sich sterbenskrank. Und auch wenn er das Weihnachtsfest über alles liebte, würde er heute nicht genügend Kraft aufbringen, eine auch nur halbwegs aktive Rolle darin zu übernehmen. Sein Sturz in das Eiswasser des Alatsees war einfach zu viel für seinen von der Erkältung eh schon geschwächten Körper gewesen.
    Er drückte auf die Fernbedienung, die auf seiner Decke platziert war, und zappte sich gelangweilt durch das weihnachtliche Fernsehprogramm. Fast auf jedem Sender sang irgendein Knabenchor oder glückliche Familien lagen sich unter dem Christbaum in den Armen. Sogar zwei Jahresrückblicke brachten sie schon. Plötzlich hielt er inne. Hinter einer attraktiven Reporterin mit knallrotem Mikrofon zeichnete sich deutlich die idyllische Landschaft des Alatsees ab. Seit Tagen lieferten sich die Fernsehsender ein Wettrennen um die neuesten Nachrichten und Gerüchte aus Füssen. Gebannt hatte er alles verfolgt, hatte zugesehen, wie zahlreiche Taucher im See verschwanden, wie weitere Tauchroboter zu Wasser gelassen wurden, wie sie ohne Beute wieder nach oben kamen.
    »Jetzt mach halt mal den Fernseher aus«, ermahnte ihn seine Frau zum wiederholten Mal. »An Weihnachten haben wir noch nie ferngesehen.«
    »Nein, ich will das sehen!«, beharrte er und starrte wie hypnotisiert auf die Mattscheibe.
    Er stellte den Ton lauter und hörte die Reporterin sagen: »… blieb die Suche nach weiteren Kisten im See bisher erfolglos. Die Männer, die mutmaßlich mit dem Versenken der Kisten betraut waren, schweigen sich nach wie vor darüber aus, ob es noch weitere Truhen gibt. Zwei der Kisten sind, wie schon mehrmals vermeldet, bei einer nächtlichen Polizeiaktion gebor gen worden. Die Männer sind inzwischen, so weit es ihr Ge sundheitszustand zulässt, in Untersuchungshaft verbracht wor den, weil sie mit mehreren Verbrechen in Zusammenhang mit der Schatzsuche in Verbindung gebracht werden.
    Inzwischen ist auch der junge Mann aus dem Koma erwacht, dessen Auffinden den ganzen Fall erst ins Rollen gebracht hatte. Laut Polizei hat er sofort nach dem Aufwachen die ganze Geschichte bestätigt. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, ließ das Krankenhaus verlauten.«
    Kluftinger zog die Nase hoch. »Hätt er sich ruhig früher überlegen können, das mit dem Aufwachen«, brummte er. »Hätt er uns viel Arbeit
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