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Schwestern der Dunkelheit

Schwestern der Dunkelheit

Titel: Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Lisa J. Smith
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Textmarkern hervorgehoben, und darüber hinaus hatte der Künstler sie noch mit großen, einfältig lächelnden Gesichtern und witzig schielendem Blick ausgestattet. Grotesk, aber liebenswert. Thea blätterte um und sah eine weitere Zeichnung. Lebenszyklus des Schweinebandwurms.
  Lecker.
  Sie blätterte an den Anfang des Notizbuchs zurück. Erik Ross, Leistungskurs  Zoologie I.
  Sie klappte das Notizbuch zu.
  Also, wie sollte sie es ihm zurückgeben?
  Ein Teil von ihr machte sich während Physik und ihrer nächsten Unterrichtsstunde, Informatik, darüber Sorgen. Ein anderer Teil von ihr tat, was er in einer neuen Schule oder bei jeglicher neuen Ansammlung von Menschen immer tat: Er beobachtete und katalogisierte, stets auf der Hut vor Gefahr, während er überlegte, wie er sich anpassen konnte. Und ein weiterer Teil von ihr stellte einfach fest: Ich wusste gar nicht, dass sie hier einen Zoologiekurs haben.
  Nur eine Frage wollte sie sich nicht stellen: was sich da eigentlich in der Wüste ereignet hatte. Wann immer der Gedanke in ihr aufstieg, schob sie ihn schroff beiseite. Es musste etwas damit zu tun haben, dass ihre Sinne zu sehr geöffnet gewesen waren, nachdem sie mit der Schlange verschmolzen war.
  Wie auch immer, es hatte nichts zu bedeuten. Es war irgendein merkwürdiger, einmaliger Zufall.
  In der Pause kam Blaise durch die Eingangshalle auf sie zu geeilt, schnell wie eine Löwin trotz ihrer hohen Absätze.
  »Wie läuft’s?«, erkundigte sich Thea, als Blaise sie in ein vorübergehend verlassenes Klassenzimmer zog.
Blaise streckte lediglich die Hand aus. Thea angelte den Karneol aus ihrer Tasche.
  »Du hast die Kette zerrissen«, bemerkte Blaise, während sie ihr mitternachtsschwarzes Haar zurückschüttelte und den Stein auf Schäden untersuchte. »Noch dazu eine, die ich selbst entworfen hatte.«
  »Entschuldige. Ich hatte es eilig.«
  »Ja, und warum ? Was wolltest du mit dem Stein?« Blaise wartete nicht auf eine Antwort. »Du hast diesen Jungen geheilt, nicht wahr? Ich wusste, dass er gebissen worden war. Aber er ist ein Mensch .«
  »Achtung vor dem Leben, erinnerst du dich?«, erwiderte Thea.   »>Solange du niemandem etwas zuleide tust, kannst du machen, was dir beliebt.<« Sie zitierte die Worte ohne große Überzeugung.
  »Damit sind keine Menschen gemeint. Und was hat er gedach t?«
  »Gar nichts. Er wusste nicht, dass ich ihn heilte; er hat nicht mal begriffen, dass er gebissen worden war.« Immerhin war es keine direkte Lüge.
  Blaise sah sie mit rauchigen, grauen Augen argwöhnisch an. Dann schaute sie gen Himmel und schüttelte den Kopf. »Also, wenn du den Stein benutzt hättest, um das Blut des Jungen zum Kochen zu bringen, würde ich es ja noch verstehen. Aber vielleicht hast du’s ja auch getan ...«
  »Nein, habe ich nicht «, widersprach Thea. Und trotz der Wärme, die ihr in die Wangen stieg, war ihre Stimme kalt und scharf. Das Grauen dieser Todesvision war noch immer nicht vergessen. »Tatsächlich will ich ihn nie wiedersehen«, fuhr sie abgehackt fort, »und das habe ich ihm auch gesagt. Aber ich habe sein blödes Notizbuch , und ich weiß nicht, was ich damit machen soll.«
  Sie wedelte Blaise mit dem Notizbuch vor der Nase herum.
  »Oh.« Blaise legte den Kopf schräg und dachte nach. »Nun … ich werde es ihm für dich geben. Ich werde ihn irgendwie aufspüren.«
  »Das würdest du tun?« Thea war verblüfft. »Das ist echt nett.«
  »Ja, das ist es«, sagte Blaise. Sie nahm das Notizbuch so vorsichtig entgegen, als wären ihre Fingernägel frisch lackiert. »In Ordnung, nun, ich gehe jetzt besser in meinen nächsten Kurs. Algebra.« Sie verzog das Gesicht. »Bis später.«
  Während Thea ihr nachsah, stieg Argwohn in ihr auf.
Blaise war für gewöhnlich nicht so entgegenkommend. Und ihr »Bis später« war für ihre Verhältnisse ... zu freundlich. Sie führte etwas im Schilde.
  Thea folgte dem Rubinrot von Blaises Shirt, während diese in den Hauptflur zurückkehrte und dann ohne zu zögern in einen von Schließfächern gesäumten Gang einbog. Dort stand eine große, schlanke Gestalt mit langen Beinen und sandfarbenem Haar und durchsuchte eins der Schließfächer.
  Die kürzeste Fahndung, die ich je erlebt habe, dachte Thea säuerlich. Sie spähte an der mittelmeerblauen Tür eines defekten Schließfachs vorbei.
  Blaise trat sehr langsam und mit wiegenden Hüften hinter Erik. Dann legte sie ihm eine Hand auf den
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