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Schwestern der Dunkelheit

Schwestern der Dunkelheit

Titel: Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Lisa J. Smith
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von Vorteil für ihr Vorhaben.
  Sie drückte eine Hand auf die Wunden, den Karneol in ihren fest geschlossenen Fingern verborgen. Dann begann sie leise zu summen und visualisierte, was geschehen sollte. Das war das Besondere an Edelsteinen: Sie funktionierten nicht aus eigener Kraft. Sie waren nur das Mittel, um geistige Macht zu wecken, sie zu konzentrieren und zu einem bestimmten Zweck zu kanalisieren.
  Finde das Gift, grenze es ein, zersetze es. Reinige und eliminiere. Dann setze die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers in Kraft. Bekämpfe anschließend die Schwellung und die Rötung und schick das Blut dorthin zurück, wo es hingehört.
  Während sie dort kniete und die Sonne auf dem Hinterkopf spürte, begriff sie plötzlich, dass sie gerade etwas tat, was sie noch nie zuvor getan hatte. Sie hatte Tiere geheilt - Welpen mit Krötenvergiftung und Katzen mit Spinnenbissen aber niemals einen Menschen. Es war seltsam, denn sie hatte instinktiv gewusst, dass sie es tun konnte. Sie hatte beinahe das Gefühl gehabt, es tun zu müssen .
  Sie hockte sich auf die Fersen und steckte den Blutstein in die Tasche.        »Wie fühlst du dich?«
  »Hm?« Er nahm den Arm von den Augen. »Tut mir leid - ich war irgendwie für eine Minute weg.«
  Gut, dachte Thea. »Aber wie fühlst du dich jetzt?«
  Er sah sie an, als müsse er sich beherrschen, ruhig zu bleiben. Gleich würde er ihr erklären, dass Leuten nach einem Klapperschlangenbiss immer übel wurde. Aber dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. »Ich fühle mich ... es ist komisch ... vielleicht ist mein Bein ... taub geworden.« Er betrachtete zweifelnd seine Wade.
  »Nein, du hattest einfach Glück. Du bist nicht gebissen worden.«
  »Was?« Er rappelte sich auf, um sein Jeansbein weiter hochzukrempeln. Dann riss er die Augen auf. Das Fleisch war glatt und unversehrt, nur mit einem Hauch von Röte. »Ich war mir sicher ...«
  Er schaute ihr in die Augen.
  Zum ersten Mal sah Thea ihn richtig an. Er war ein gut aussehender Junge, groß und schlank, mit sandfarbenem Haar und einem lieben Gesicht. Lange Beine. Und diese Augen ... haselnussbraun mit grünen Einsprengseln. In diesem Moment war sein Blick ebenso intensiv wie verwirrt, wie der eines erschrockenen Kindes.
  »Wie hast du das gemacht?«, fragte er.
  Thea war vor Schreck sprachlos.
  So hätte er nicht reagieren dürfen. Was war los mit ihm? Als sie wieder sprechen konnte, antwortete sie: »Ich habe gar nichts gemacht.«
  »Doch, hast du«, widersprach er, und jetzt blickten seine Augen klar und direkt und erfüllt von einer seltsamen Überzeugung. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und so etwas wie Staunen trat in seine Züge. »Du ... an dir ist irgendetwas anders.«
  Er beugte sich langsam vor, wie in Trance. Und dann ... erlebte Thea eine seltsame Wechselseitigkeit. Sie war daran gewöhnt, sich durch die Augen von Tieren zu sehen: eine große, unbehaarte Kreatur in falschen Häuten. Aber jetzt sah sie sich, wie Erik sie sah. Ein am Boden kniendes Mädchen mit blondem Haar, das lose über die Schulter fiel, und sanften, braunen Augen. Ein Gesicht, das zu weich war, mit einer sehr besorgten Miene.
  »Du bist ... schön«, sagte Erik, immer noch voller Staunen. »Ich habe noch nie jemanden gesehen ... aber es ist, als wärst du vollkommen von einem Nebel umgeben. Du bist so geheimnisvoll ...«
  Eine gewaltige, bebende Stille schien über der Wüste zu liegen. Theas Herz hämmerte so heftig, dass es ihren Körper erzittern ließ. Was geschieht hier?
  »Es ist, als wärst du ein Teil von allem hier draußen«, sprach er mit dieser weisen, kindlichen Stimme weiter. »Du gehörst dazu. Und da ist so viel Frieden ...«
  »Nein« , unterbrach Thea ihn. Es war überhaupt kein Friede in ihr. Sie hatte schreckliche Angst. Sie wusste nicht, was los war, aber sie wusste, dass sie weg musste.
  »Geh nicht«, bat er, als sie sich bewegte und er sie mit der erschütterten Miene eines Welpen ansah, dem das Herz gebrochen worden war.
  Und dann ... streckte er seine Hände nach ihr aus. Nicht grob. Seine Finger schlossen sich nicht um ihren Unterarm. Er strich ihr lediglich über den Handrücken und zog sich zurück, als sie zusammenzuckte.
  Aber es spielte keine Rolle. Bei dieser leichten Berührung hatten sich alle feinen Härchen auf Theas Unterarm aufgestellt. Und als sie wieder in diese grün gesprenkelten, braunen Augen schaute, wusste sie, dass
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