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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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Taxifahrer und eilte noch einmal zurück in die Gasse. »Elmi«, rief sie, und ihre Stimme wurde von den hohen Backsteinwänden zurückgeworfen. Die Straße lag verlassen, bis auf einen Einkaufswagen und ein Haus aus Pappkartons. Vielleicht würde bald ein anderer Obdachloser hier einziehen. Elmi hatte sich gemeinsam mit Buck bereits auf den Weg zu seinem neuen Domizil gemacht.
    Eine Hand berührte sie an der Schulter. »Elmi«, freute sie sich und wirbelte herum.
    »Hallo Beatrice«, sagte der braun gebrannte Mann. Seine Stimme klang warm und angenehm. Beunruhigender war die Kleidung, die er trug. Die Soutane eines Priesters. Miss Barkley hatte sich nicht geirrt!
    Der Geistliche fragte: »Fahren wir gemeinsam?«
    Trotzig meinte sie: »Ich wüsste nicht, wohin.«
    Er schenkte ihr sein freundliches Lächeln, so wie er es im Bus auf der Rückfahrt von Lindisfarne nach London bereits getan hatte. »Natürlich wissen Sie das. Und Sie wissen auch, dass Sie keine andere Wahl haben.«
    »Meinen Sie?«
    Er deutete auf die Menschen, die weiter vorne, wo die Gasse auf die Hauptstraße traf, vorüberstrebten. Passanten, die nur als Schemen im Schneegestöber zu erkennen waren, vereint im Wunsch, die Kälte so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. »Meinen Sie, es interessiert irgendjemanden, was wir hier machen?«
    Sie ließ die Schultern hängen. »Sie haben meine Tante umgebracht!«
    »Manchmal macht man Dinge, weil man glaubt, sie machen zu müssen.«
    Dass er Angelas Worte benutzte, traf sie wie ein Fausthieb. »Und was haben Sie jetzt mit mir vor?«
    »Ich werde Sie auf Ihrer Reise begleiten.«
    »Welche Reise?«, wagte sie einen letzten Versuch.
    Lächelnd kaute er auf einem Kaugummi. Er nahm sie in den Arm. Sie spürte einen Stich in ihrer Hüfte: »Ihre Reise nach Berlin. Zu Ihrem Bruder…«
    Dann verlor sie das Bewusstsein.
     
     
    Berlin
     
    »Komm rein«, bat Chris und lief voran ins Wohnzimmer. Rabea lag ausgestreckt auf der Couch. Mit verschlafenen Augen blinzelte sie zu Philip auf und stieß einen unwilligen Mauzer aus: Wag es ja nicht, mich zu vertreiben.
    Philip ließ sich auf dem schmalen Streifen nieder, den die Katze am Sofarand gnädig frei ließ, und streichelte sie versonnen. Unzählige Gedanken stoben durch seinen Kopf.
    »Nicht am Telefon«, hatte Chris ihm gesagt, als er sie über das Handy ihres Bruders angerufen hatte. »Komm vorbei.«
    Wollte sie sich von ihm trennen? Das bedeutete, sie waren noch ein Paar. Vielleicht bestand eine Chance. Er würde sie ergreifen. Er würde mit ihr reden. Über alles.
    Seine Freundin saß auf dem Sessel gegenüber. Ihre blauen Augen musterten ihn. Das braune Haar fiel ihr in glatten Streifen auf die Schulter. Er verspürte den Wunsch, ihr Haar zu streicheln. Ihre Nähe spüren. Ihr Parfüm riechen. Doch stattdessen fuhren seine Finger durch Rabeas Fell.
    »Ich hab jetzt ein Piercing«, sagte Chris. »Ein Brustwarzenpiercing.«
    »Das freut mich«, meinte er und rang sich ein Lächeln ab. Ein Piercing war ganz bestimmt nicht der Grund, weswegen sie ihn hatte sprechen wollen.
    »Du wolltest mit mir reden?«
    Sie nickte und sah aus dem Fenster. Im Sommer hatten sie immer im Treptower Park gegrillt. Häufig trafen sich Jugendliche zum Fußball auf der großen Wiese. Jetzt war der Park menschenleer, die kahlen Bäume trugen ihr weißes Winterkleid.
    Philip hielt seinen Blick auf Chris gerichtet. Gott, wie er sich nach ihr sehnte. Er brauchte sie. Alleine würde er auf Dauer nicht durchhalten können.
    »Du weißt«, begann sie irgendwann, »das, was Dienstagnacht passiert ist…« Sie brach ab, und er sah, wie eine Träne sich aus ihrem Augenwinkel löste.
    »Es tut mir Leid«, unterbrach er sie, und die Worte sprudelten nur so aus ihm raus. »Wirklich, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Das alles, es ist zu viel für mich gewesen. Ich war damit überfordert.«
    »Philip!«, rief sie. Rabeas kleiner Kopf ruckte erschrocken empor. Als sie sicher war, dass niemand sie vertreiben wollte, streckte sie sich und schlief wieder ein. Chris sagte leise: »Philip, bitte lass mich ausreden.«
    Er schwieg.
    Mit einem Tuch trocknete sie die Träne auf ihrer Wange. »Mit dem, was du getan hast, hast du mir sehr wehgetan.«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann schloss er ihn wieder. Er wollte ihr zuhören, sonst nichts.
    »Und damit meine ich nicht die körperlichen Wunden. Die heilen wieder. Es geht um den Schmerz in mir. Ich weiß nicht, ob ich damit auf
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