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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten
Autoren: Marcel Feige
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lächeln.«

Donnerstag
     
     
     
    Berlin
     
    »Sie finden das wohl lustig?«, fragte der Mann, der sich als Berger, Kommissar Sebastian Berger, vorgestellt hatte. »Wenn Sie lachen müssen, tun Sie sich keinen Zwang an, raus damit.«
    Philip widerstand dem Impuls, seiner Erheiterung freien Lauf zu lassen. Der Zeitpunkt war eher ungeeignet, wie die grimmige Miene, die der Polizist zur Schau stellte, unschwer erkennen ließ.
    Philip presste die Lippen aufeinander und vermied es, den Beamten anzuschauen, der mit seinem zerknautschten Sakko wie die deutsche Ausgabe des TV-Inspektors Columbo wirkte. Er inspizierte stattdessen den kleinen blauen Fleck, der sich auf seinem Unterarm gebildet hatte. Dann wanderte sein Blick durch den Raum, in dem es außer einem Holztisch und einer grellen Neonlampe nichts zu entdecken gab.
    Berger bemerkte seinen Blick. »Nur zu. Schauen Sie sich in Ruhe um.«
    Weil Philip nach wie vor den Mund hielt, erklärte Berger: »Wissen Sie, wie die Beamten des Kriminalkommissariats hier in Berlin-Mitte diesen Raum nennen?«
    Philip zuckte die Achseln. Die Kammer, in der er die letzten drei oder vier Stunden verbracht hatte, seit man ihn am Potsdamer Platz aufgegriffen hatte, war grau und von klaustrophobischer Enge. Wie konnte man so ein Loch schon nennen?
    »Kombüse!«
    Stillschweigend gab er dem Kommissar Recht. Der Vernehmungsraum erinnerte tatsächlich an die Kombüse einer abgewrackten Fregatte, die zu viele Jahre in keinen Hafen mehr eingelaufen war. Wahrscheinlich hatte schon so mancher Verbrecher nur beim Anblick dieser Tristesse ein Geständnis abgelegt.
    Philip starrte auf die Kerben, die jemand in den Tisch gekratzt hatte. Vielleicht ein Mörder, der sich während der Vernehmung gelangweilt hatte. Oder Kommissar Berger, verzweifelt über das Verbrechen in der Stadt, dessen er nicht mehr Herr wurde.
    Berger unterbrach seine Grübeleien: »Wie geht es Ihrer Freundin?«
    Zögernd schaute Philip auf. »Meiner Freundin?«
    »Ich habe Sie kennen gelernt.«
    »Ich…« Philip brach ab. Ich war dabei, lag ihm auf der Zunge, aber er verschluckte die Worte. Denn Berger wusste nicht, dass Philip gestern Morgen, als der Kommissar auf der Suche nach ihm in Chris’ Wohnung aufgetaucht war, im Schlafzimmerschrank gehockt hatte.
    »Bitte?« Der Kommissar hob die Augenbraue. Eine Seite seines geschwungenen Bartes schwebte empor.
    »Ich wollte sagen, sie hat mir von Ihnen erzählt.«
    »Hat sie?« Der Kommissar lächelte. »Hoffentlich nur Gutes.«
    Der Disput mit Chris, der auf Bergers Besuch erfolgt war, war Philip noch sehr gut in Erinnerung. Es war erst 24 Stunden her. Allerdings kam es ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. Als sei er seitdem quer durch Raum und Zeit gereist. Was gar nicht mal so falsch ist.
    »Ihre Freundin ist eine intelligente junge Frau«, setzte Berger die Unterhaltung fort. »Sie wird es noch weit bringen.« Er hielt einen Moment inne und zwirbelte sich gedankenverloren die Bartenden. »Sie studiert… was war’s? Kunst, richtig?« Er ließ von seinem Schnurrbart ab und klopfte sich gegen die Schläfe. Er lächelte verlegen. »In meinem Alter geht dem da oben schon mal das eine oder andere durch die Lappen.«
    Philip sah den Beamten an. Was sollte dieser Plausch über Chris, ihr Studium und Bergers Geisteszustand? Worauf zum Teufel wollte er hinaus?
    »Manchmal ist es besser, wenn man sich die Dinge aufschreibt«, sagte der Polizist, und es klang, als habe er soeben ein sorgsam gehütetes Geheimnis offenbart. Er kramte in der linken Jackentasche. Als er dort nicht fündig wurde, warf er die Stirn in Falten und begann, die restlichen Taschen seines Sakkos zu durchwühlen.
    »Ah ja«, gab er erleichtert von sich und brachte einen Notizblock zum Vorschein, den die Spiralen nur noch mit Mühe zusammenhielten. Er blätterte scheinbar ziellos darin herum, als würde er sich einfach nur der alten Aufzeichnungen erfreuen. Bis er auf einer Seite stoppte. »Christine Czaja. Kunststudentin.« Er blickte Philip an und strahlte. »Das nenne ich doch mal was Anständiges. Oder was meinen Sie?« Eine Antwort erwartete er nicht, er fuhr ohne Pause fort: »Da weiß man wenigstens, worum es geht. Aber bei meiner Tochter…« Er hob resigniert die Hände. »Nein, wirklich, das ist nichts für einen alten Herren wie mich. Geophysik! Sooft sie schon versucht hat, es mir zu erklären, ich kann mir nichts darunter vorstellen. Sie etwa?«
    Philip fiel auf, wie ihn der Kommissar aus aufmerksamen Augen
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