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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
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und Fahrzeugtyp abgefragt wurden, war das Fahrzeug nicht als gestohlen gemeldet.
    Die Frau hatte Warndreieck und Verbandskasten in der Hand, als Kreuthner zum BMW zurückkam. Der Kofferraum des Wagens war wieder geschlossen. »Ist gut«, sagte Kreuthner mit Blick auf die beiden Gegenstände. »Ich hab ein ganz anderes Problem.«
    »Was denn?«, fragte die Frau besorgt und verstaute Warndreieck und Verbandskasten auf dem Rücksitz.
    »Warum tun Sie’s nicht in den Kofferraum zurück?«
    »Wenn ich noch mal kontrolliert werde, hab ich’s gleich bei der Hand.« Sie schloss die Tür. »War’s das?«
    »Nein«, sagte Kreuthner. »Es gibt da, wie gesagt, ein Problem.«
    Die Frau schwieg angespannt.
    »Der Wagen gehört nicht Ihnen?«
    »Nein.«
    »Wem dann?«
    »Einem Freund. Herrn Waldleitner.« Sie lachte. »Ich hab ihn nicht gestohlen. Dann wäre er ja als gestohlen gemeldet, und Sie wüssten das jetzt.«
    »Nein. Er ist nicht als gestohlen gemeldet.«
    »Was … ist dann das Problem?«
    »Das Problem ist, dass es einen blauen BMW mit diesem Kennzeichen zu viel gibt.«
    Schweigen. Die Frau kaute auf ihrer Unterlippe. Kreuthner sah zur Ampel. »Die Ampel ist immer noch rot. Komisch, oder?«
    »Wahrscheinlich defekt.«
    »Glaub ich nicht.«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Doch. Das wissen Sie besser wie ich. Hab ich recht?«
    Die Blicke der Frau flatterten über Kreuthners Uniformjacke, an dieser vorbei auf den Waldboden links von ihm, rechts von ihm, nur nicht zu Kreuthners Augen.
    »Wissen S’ was? Hier stinkt’s. Und zwar gewaltig.« Der Fahrer des Golfs stand jetzt neben seinem Wagen und wandte den Blick ab, als Kreuthner hinsah. »Kennen Sie den Herrn?«
    Sie zögerte, überlegte eine Sekunde. »Nein, warum?«
    »Weil Sie sich angeschaut haben, wie ich am Streifenwagen war. Ich seh vielleicht müd aus. Aber ich hab alles im Blick.«
    Die Frau starrte eine Weile stumm in das Gesicht des Polizisten und schluckte. Man konnte sehen, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug. Kreuthner studierte mit sadistischer Ruhe, wie sie versuchte, ihre Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. »Was …«, sie überlegte, was sie eigentlich sagen wollte. »Was wollen Sie jetzt von mir?«

[home]
    6
    Drei Jahre später
    S imon Kreuthner war im Dezember des Jahres 2011 , seinem dreiundsiebzigsten Lebensjahr, heimgegangen. In eine bessere Welt, wie der Pfarrer sagte. Es wurde allerdings allgemein angenommen, dass er vor dem Einzug ins Paradies noch einige Zeit im Fegefeuer verbringen würde. Denn er hatte sich zu seinen Lebzeiten der Schwarzbrennerei und zahlreicher anderer Vergehen schuldig gemacht. Nie hatte er Reue gezeigt noch auch nur den Versuch unternommen, ein ehrbares Leben zu führen.
    Jetzt war er tot, und sein baufälliges Anwesen, ein zwischen Gmund und Hausham gelegenes Bauernhaus, hatte er seinem Neffen, Polizeiobermeister Leonhardt Kreuthner, vererbt. Der Grund war schuldenfrei, und im Haus war zwar keine Landwirtschaft mehr, aber eine seit fünfzig Jahren eingesessene Schwarzbrennerei. Manch einen nahm es Wunder, dass der Onkel ausgerechnet Kreuthner bedacht hatte. Das Verhältnis der beiden war durchaus nicht herzlich gewesen. Aber Simon hatte seine Entscheidung sorgfältig abgewogen. An das Erbe war nämlich eine Bedingung geknüpft, die heikel und juristisch besehen unwirksam war. Simon musste sich also bei seinem Erben darauf verlassen, dass er die Bedingung nicht einfach unter den Tisch fallen ließ. Außer einem Rest Anstand musste der Bedachte ein gerüttelt Maß kriminelle Energie mitbringen, um seiner Aufgabe nachzukommen. Zwar gab es in der Familie nicht wenige, die die zweite Bedingung erfüllten. Aber wer von all den Gaunern und Spitzbuben würde sich in die Nesseln setzen, nur um dem Onkel posthum einen Gefallen zu tun? Fast jeder von denen hatte eine Bewährung laufen, sofern er überhaupt auf freiem Fuß war. Da riskierte keiner, wieder einzufahren, wenn man draußen eine schöne Erbschaft verprassen konnte. Einzig und allein seinem Neffen Leonhardt traute Simon den erforderlichen Anstand zu. Das mochte im Angesicht des Lebenswandels, den Leonhardt Kreuthner pflegte, verwundern. Doch in Familiendingen war Kreuthner ungewohnt sentimental.
     
    In Erfüllung des Auftrags, den Simon ihm auf dem Sterbebett in einem verschlossenen Briefumschlag zugesteckt hatte, begab sich Kreuthner an einem Tag Anfang Dezember mit einem Rucksack auf den Wallberg. Den Rucksack hinterlegte er zunächst im Restaurant der
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