Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
dem Opa direkt vor die Flinte g’laufen. Was hätt er denn machen sollen? Warten, bis ihn der Jäger schießt?«
    »Ah, verstehe. Das war so eine Art Notlage.« Die Frau legte irgendwie indigniert die Gabel auf den leeren Teller, wandte sich ab, hielt ihr Gesicht in die Sonne und sagte nichts mehr.
    Kreuthner war irritiert. »Bist jetzt beleidigt?«
    »Nein. Wieso?«
    »Weil das genau so ausschaut, wenn Frauen beleidigt sind.«
    »Ich bin nicht beleidigt. Ich bin nur nicht an Jagdgeschichten interessiert.«
    Kreuthner blickte genervt zum weiß-blauen Himmel auf. »Des muss scheint’s so sein. Da hast einmal an schönen Tag zum Skifahren, dann hockt sich natürlich eine her und fangt’s Zicken an.«
    Die Frau drehte ihr Gesicht aus der Sonne und sah Kreuthner böse an. »Hast du zicken gesagt?«
    »Ja, ich hab zicken gesagt. Fällt dir a besseres Wort ein?«
    »Warum wirst du so gemein? Ich hab dir gar nichts getan.« Daniela sah Kreuthner mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an. Kreuthner stellte zu seiner Überraschung fest, dass sie weinte.
    »Da musst doch net gleich zum Heulen anfangen. Ich hab des ja net so gemeint.«
    »Ich heule nicht. Mir ist was ins Auge geflogen, und das sitzt unter meiner Kontaktlinse.«
    Tatsächlich weinte die Frau nur aus einem Auge, wie Kreuthner jetzt erkennen konnte. Sie versuchte, die Linse herauszufischen, was anscheinend Probleme bereitete. Kreuthner wusste nicht, was er tun sollte. Dass er beim Bergen der Kontaktlinse kaum von Nutzen sein würde, war klar. Er sah sich auf der Terrasse um und erblickte zu seiner Erleichterung an einem anderen Tisch seinen alten Spezl Sennleitner.
    »Tja, ich pack’s dann wieder«, sagte Kreuthner, nahm sein Weißbierglas und stand auf. Beim Weggehen streifte der Anorak, den Kreuthner in der Hand hielt, das Gesicht der Frau. Sie zuckte zusammen und sagte hörbar angespannt: »Vielen Dank, jetzt ist sie auch noch runtergefallen.« Kreuthner sah zu, dass er wegkam.

[home]
    7
    G egen vier holte Kreuthner seinen Rucksack aus dem Restaurant und stapfte etwa hundert Meter in Richtung Gipfel. Es waren keine Skiläufer mehr zu sehen, denn in Kürze würde es dunkel werden. Kreuthner konnte keine Zeugen gebrauchen für das, was er vorhatte. Er stellte sich auf eine Stelle mit guter Aussicht und holte das Blechbehältnis aus dem Rucksack. Das Tal lag weiß und friedlich tausend Meter unter ihm, in dessen Mitte ein großer schwarzer Fleck, der aussah wie eine Zipfelmütze mit Beinen – der Tegernsee. Im Norden verschwamm die Landschaft im grauen Dunst der hereinziehenden Nacht, von Südwest kamen letzte Sonnenstrahlen und erleuchteten das große Kreuz auf dem Gipfel des Wallbergs. Simon hatte, obwohl zeit seines Lebens einigermaßen katholisch, verbrannt werden wollen. Die Vorstellung, in der Erde zu verfaulen, war ihm unerträglich gewesen. Verstreuen sollten sie ihn respektive seine Asche. Und zwar auf dem höchsten Berg am Tegernsee, dem Wallberg. Das war in Deutschland nicht erlaubt. Deshalb hatte Kreuthner den Onkel nachts heimlich aus dem Grab holen müssen.
    Der Himmel war teils blau, teils von grauen Wolken bedeckt, und ein kalter Wind blies Schneeflocken vorbei, als Kreuthner die den Onkel enthaltende Urne öffnete. Er überlegte kurz, ob er etwas Feierliches sagen sollte, aber es wollte ihm nichts einfallen. Schließlich sagte er die Worte, die er so ähnlich im Fernsehen gehört hatte: »Simmerl – es war mir eine Ehre, dich gekannt zu haben.« Dabei wurden ihm die Augen feucht, und er musste schlucken. Eine Erinnerung wurde wach, wie ihn Onkel Simmerl einst in die Geheimnisse des Schwarzbrennens eingeweiht hatte und sie zusammen den ersten von Kreuthner gebrannten Obstler verkostet hatten. Da war er elf Jahre alt gewesen. Mit diesem bewegenden Gedanken im Herzen drehte er die Urne um und übergab Simon Kreuthners Asche dem Bergwind. Der blies sie mit böiger Wucht in Richtung Setzberg, und genau aus dieser Richtung hörte Kreuthner kurz darauf jemanden rufen: »He! Was soll das?!«
    Zwanzig Meter unterhalb stand eine graue Gestalt auf Skiern, die hustete und sich die Asche vom Skianzug klopfte. Wie es aussah, hatte sie den ganzen Onkel abbekommen. Als Kreuthner bei ihr ankam und sich für sein Missgeschick entschuldigte, sah er, dass es Daniela war, die Frau, die er mittags auf der Terrasse getroffen hatte.
    »Verdammt! Was war denn das?«, fragte sie hüstelnd und wischte sich die Augen aus.
    »Nur a bissl Asche. Wart, des hamma
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher