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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
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gleich.« Kreuthner klopfte sie ab.
    »Lass, das geht schon. Ich mach es mit Schnee weg. Sonst wird das nicht richtig sauber.« Nachdem sie das gesagt hatte, stand Daniela still auf der Stelle und blickte blinzelnd in den Himmel.
    »Was ist los?«
    »Ich habe Asche in den Augen.«
    »Tut mir echt leid. Aber ich hab nicht gedacht, dass noch wer da ist. Was machst denn hier um die Zeit?«
    »Ich wollte die Einsamkeit genießen. Ich hab ja nicht gewusst, dass jemand hier Asche verstreut. Was ist das überhaupt für Asche? Ich hoffe, nicht dein Hund oder deine Katze oder so was.«
    »Mein Hund? Ja so a Schmarrn. Wie kommst denn da drauf?«
    »Ist auch egal«, sagte Daniela und stakste durch den Schnee.
    »Kann ich helfen?«
    »Danke, ich komm klar.«
    Die Frau verschwand hinter einer großen Latschenkiefer und Kreuthner sah, wie sie mit Schnee die Asche von ihrem Skianzug rieb und sich das Gesicht säuberte. Die Sonne war im Südwesten untergegangen, und die Nacht zog herauf. Kreuthner sah hin und wieder zu der Frau. Sie brauchte lang, denn sie war gründlich. Unglaublich gründlich. Im Osten wurde es jetzt finster.
    »Du musst a bissl hinmachen. Es is gleich dunkel.«
    »Du musst auch nicht auf mich warten.«
    Kreuthner überlegte, ob er das Angebot annehmen sollte. Aber das brachte er nicht über sich, dass er eine Frau nachts im Winter allein auf dem Wallberg zurückließ. Also wartete er. Lang. Sehr lang. Als Daniela hinter den Latschen hervorkam, standen die Sterne am Himmel. Zum Glück auch der Mond, so dass man die Piste erkennen konnte.
    »Geht’s wieder?«
    Daniela nickte. »Wo fahren wir runter?«
    »Herrnabfahrt. Die kenn ich wie meine Westentasche. Bei dem Mond kein Problem.«
    Daniela sah zweifelnd den dunklen Berg hinab.

[home]
    8
    W o sind wir denn?« Danielas Stimme klang gereizt, aber auch brüchig, als kämpfe sie mit den Tränen.
    »Wir müssten gleich auf die Rodelbahn stoßen. Das kann nimmer weit sein. Obacht!« Der zurückschnalzende Fichtenzweig schlug Daniela heftig und unerwartet ins Gesicht. Sie schrie auf und fluchte. »Ich hab doch Obacht gesagt«, rechtfertigte sich Kreuthner.
    »So ein Mist! Meine Kontaktlinsen sind rausgefallen.«
    »In den Schnee?«
    »Ja wohin denn sonst?«
    Kreuthner blickte zurück, konnte Daniela aber nur erahnen, obwohl sie keine drei Meter entfernt war. Hier mitten im Nadelwald war es – wie Onkel Simon (berühmt auch für seine treffenden Vergleiche) sagen würde – dunkel wie im Bärenarsch. »Wie willst denn hier Kontaktlinsen finden?«
    »Ich seh aber nichts ohne Kontaktlinsen.«
    »Macht im Augenblick net viel Unterschied, oder?« Kreuthner stapfte mit seinen Skiern durch den knietiefen Schnee zu Daniela zurück.
     
    Es war ein erhabener Moment gewesen, als sie beide oben am Beginn der Herrenabfahrt gestanden waren. Der Vollmond hatte am Himmel geleuchtet und auf den Schnee geschienen, dass man jede Spur, jeden kleinsten Buckel sehen konnte wie am Tag. Unter ihnen der See mit tausend Lichtern, umrahmt von Neureuth, Hirschberg, Kampen und Fockenstein. Am nördlichen Horizont leuchtete München rötlich unter einer fernen Smogglocke. Der Hang war verspurt. Der Schnee zu unregelmäßigen Haufen aufgeworfen, aber kalt und noch nicht schwer, und an keiner Stelle kam der Dreck durch. Kreuthner fuhr vor, setzte einige Schwünge in die steile Piste und wartete weiter unten auf Daniela. Sie erwies sich als geübte Fahrerin, die mit den Schneeverhältnissen gut zurechtkam. Ihr Atem ging schnell, und sie lächelte sogar, als sie neben Kreuthner zum Stehen kam. Es hatte seinen eigenen Reiz, bei Vollmond Ski zu fahren, am Berg unterm Sternenzelt, und die Nacht so kalt und klar.
    Was ihrer beider Aufmerksamkeit entgangen war, wie sie auf den See geschaut hatten und auf München ganz oben im Norden, das war die Wolkenwand, die von Südwesten kam. Eben jetzt, als Kreuthner am Waldrand entlangfuhr, wo der Schnee am besten war, schob sie sich unversehens vor den Mond, und es wurde dunkel. So dunkel, dass Kreuthner mit einem Mal in ein schwarzes Loch fuhr und nicht mehr sehen konnte, was ihm auf der Piste entgegenkam. Er versuchte zu bremsen. Doch das brauchte Zeit, denn der Hang war steil und Kreuthner in der Falllinie. Unversehens stauchte ihn ein Buckel zusammen, dass seine Brust fast auf die Knie schlug. Kreuthner geriet in Rücklage, was seine Fahrt zusätzlich beschleunigte, und ehe er begriff, was mit ihm geschah, schoss er in den an dieser Stelle locker mit
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