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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
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einen Topf, die sogenannte »Henn«, einzahlen musste, wenn kein Spiel zustande kam. Beim nächsten Spiel konnte die Partei, die das Spiel angemeldet und gewonnen hatte, den Inhalt der Henn an sich nehmen. Sollte sie das Spiel aber verlieren, musste die Henn verdoppelt werden. Da konnte, wie man seit der Geschichte mit dem Schachbrett und den Reiskörnern weiß, einiges zusammenkommen. Gegen halb sechs lagen über dreihundert Euro im Topf, und Kreuthners Barbestände waren auf zehn Euro zusammengeschrumpft. In dieser Situation bekam er ein Blatt mit sechs Trümpfen auf die Hand. Das Spiel war aber unerwartet verzwickt, und Kreuthners Partner Harry Lintinger gehörte nicht gerade zu den Kandidaten für den Mensa-Club. Um es kurz zu machen: Die Partie rauschte furios gegen die Wand. Harry warf seinen Anteil von einhundertfünfzig Euro mürrisch auf den Tisch. Kreuthner legte seinen Zehneuroschein dazu.
    »Und?«, fragte Kummeder.
    »Ja, da fehlen hundertvierzig. Seh ich selber. Ich zahl’s später.«
    »Er zahlt später!« Ironie paarte sich in Kummeders Ton mit Missfallen. Er sah auffordernd zum alten Lintinger, damit der auch was sagte.
    »Da schau her«, sagte Johann Lintinger dienstfertig. »Des san fei ganz neue Sitten. Normal wird gleich zahlt.«
    »Ich hab aber nix mehr«, maulte Kreuthner.
    »Was tust dann hier am Kartentisch?« Kummeder nahm noch einen Schluck Bier, was bei ihm bedeutete, dass er das Bierglas zu zwei Dritteln leerte.
    »Ihr habt’s doch gesehen, dass ich nur noch an Zehner daliegen hab.«
    »Was weiß ich, was du noch im Geldbeutel hast. Is mir auch wurscht. Du tust jetzt die Henn aufdoppeln, und zwar a bissl hastig.«
    Kummeders Kiefer mahlten. Das war ein schlechtes Zeichen. Wenn Kummeder mahlte, war es meist nicht mehr weit, bis er zuschlug. Und dann war man besser nicht in der Nähe. Kummeder maß, wie sein momentan in der JVA Bernau einsitzender Freund Peter Zimbeck, über einen Meter neunzig und wog einhundertzwanzig Kilo, und das war in der Hauptsache Muskelmasse. Beim letzten Enterrottacher Waldfest hatte er mit einem Biertisch um sich geschlagen wie mit einer Fliegenpatsche und sechs junge Burschen mit einem einzigen wuchtigen Hieb ins Krankenhaus befördert, um anschließend mit dem Hau-den-Lukas-Hammer grölend über das Festgelände zu ziehen und Angst und Schrecken zu verbreiten. In der ausbrechenden Panik stürzte die mit Holzkohle betriebene Hendlbraterei auf den Tanzboden, der vollständig abbrannte. Drei Waldfestbesucher zogen sich Verbrennungen zu, als sie versuchten, einige der Grillhendl aus dem Feuer zu retten. Später konnte nicht mehr ermittelt werden, wer die Schlägerei angezettelt hatte. Beziehungsweise wussten diejenigen, die es mitbekommen hatten, Besseres zu tun, als Stanislaus Kummeders Zorn auf sich zu ziehen.
    »Was soll ich jetzt machen?«, fragte Kreuthner.
    »Ja, was mach ma denn jetzt«, wandte sich Kummeder wieder an seinen Mitspieler Johann Lintinger.
    »Was sollst da sagen. Des hat’s ja noch nia net geben, dass einer net zahlt. Und ich bin schon lang in dem G’schäft.«
    »Du sollst keine Volksreden halten, du sollst an Vorschlag machen.«
    »Ja wenn er kein Geld hat, dann muss er halt mit was anderm zahlen. Wie schaut’s aus? Deine Uhr zum Beispiel.«
    Kreuthner streifte seine Rolex ab und legte sie auf den Haufen Geldscheine. Von dort nahm Kummeder sie, ohne sich das Stück überhaupt anzusehen, und warf sie vor Kreuthner auf den Tisch zurück. »Spinnst jetzt, oder was? Die hab
ich
dir verkauft. Dreiß’g Otten. Wert is keine fünf. Was hast noch?«
    Kreuthner zuckte die Schultern. »Nix. Nur was ich anhab.«
    »Guter Vorschlag.«
    »Guter … was?«
    »Deine Klamotten.«
    »Die Uniform?«
    »Da krieg ich zweihundert für.«
    »Für a gebrauchte Uniform? Des zahlt dir keiner«, wandte der alte Lintinger ein.
    »Doch. Er da.« Kummeder deutete auf Kreuthner. »Wenn er sie wiederhaben will.«
    »Jetzt spinn dich aus. Ich kann dir doch net die Uniform geben.«
    Kummeder sagte nichts mehr. Aber in seinem von Alkohol getrübten Blick war zu lesen, dass er nicht vorhatte weiterzudiskutieren. Kreuthner war, mit anderen Worten, kurz davor, eine zu kassieren.
    »Wie jetzt … alles? Hemd, Jacke, Hose …?« Kreuthner deutete an sich hinab.
    »Die g’stinkerten Stiefel kannst behalten. Der Rest kommt zu mir umme.«
    »Jetzt?«
    »Jetzt.«
    Kreuthner wartete einen Augenblick. Vielleicht hatte Kummeder sich einen Scherz erlaubt und würde gleich
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