Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
eingerissen, seine Augen waren feuerrot geschwollen. Die Bäuerin des Hofes hieß Margit Unterlechner, eine dralle, rotwangige Frau mit großen, dickfingerigen Händen und stechend blauen Augen. Als sie die Tür öffnete, sagte sie: »Ja der Leo – was machst denn du da?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Servus, Margit. Ich müsst mal telefonieren.« Kreuthner bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Ton und tat, als stehe er nicht in Unterhosen und Tischdecke vor der Tür.
    »Komm rein«, sagte Margit, musterte Kreuthner von oben bis unten und nahm die Tischdecke zwischen zwei Finger. »Was ganz was Eigenes. Is des wieder fürn Fasching?«
    Kreuthner hatte Margit vor zwei Jahren auf dem Lumpenball kennengelernt, dem orgiastischen Höhepunkt des Faschingstreibens am Tegernsee. Wolfgang, Margits Mann, hatte keine Lust gehabt, seine Frau auf das Fest zu begleiten, und war auf dem Hof geblieben. Das hatte niemanden gewundert, denn Wolfgang war allgemein als »fade Nocken« bekannt, den nichts anderes als seine Rinderzucht interessierte, und man munkelte, das Intimleben der Unterlechners liege seit Jahren im Argen. Zumindest, was den ehelichen Verkehr betraf. Außerehelich, das wusste jeder, vögelte sich die Unterlechnerin fröhlich durchs Tegernseer Tal, was bei ihrem eher unvorteilhaften Aussehen erstaunlich war. Doch was an äußeren Reizen fehlte, machte sie durch ihr entgegenkommendes Wesen mehr als wett. Kreuthner hatte an jenem Abend eigentlich vorgehabt, die Hundsgeiger Michaela, Friseurin in Rottach, abzuschleppen. Aber die war mit Glitzerbustier, Netzstrümpfen und Stringtanga aufgelaufen und konnte sich vor Verehrern nicht retten. Hinzu kam, dass Kreuthner schon gegen elf nach dem Genuss etlicher Gläser B 52 kaum noch aus den Augen schauen konnte. Als Alternative bot sich daher Margit Unterlechner an, die als Schulmädchen mit kariertem Minirock, offener weißer Bluse und blonder Zöpfchenperücke gekommen war. Der Schottenrock spannte bedenklich, als sie sich neben Kreuthner auf eine Couch sinken ließ. Daran erinnerte sich Kreuthner noch heute, denn es war gleichzeitig das Letzte, woran er sich erinnern konnte. Am nächsten Tag wachte er auf der Ladefläche seines alten Passats auf und hatte keine Hosen an. Hinfort hatte Kreuthner um den Neubauerhof einen großen Bogen gemacht. Jetzt freilich war er in einer akuten Notlage und musste befürchten, dass sich keine andere Tür für ihn auftun würde.
    »Magst erst mal unter die Dusche«, sagte Margit und strich Kreuthner zart über den Arm. Der fragte sich, wie es möglich war, dass Margits Bluse auf den drei Metern von der Tür zur Küche um zwei Knöpfe aufgegangen war, und hatte wenig Lust, in ihrem Haus auch noch seine verbliebenen Kleidungsstücke abzulegen. Aber die Augen brannten von dem Pfefferspray und mussten unter fließendem Wasser ausgespült werden, wie Kreuthner gelernt hatte.
    »Ist der Wolfgang gar net da?« Kreuthner spähte durch die halboffene Küchentür in der Hoffnung, Wolfgang Unterlechner zu erblicken.
    »Der is auf Tölz g’fahren, an neuen Häcksler kaufen. Da is das Bad. Brauchst frische Sachen?«
    »A Hos’n wär super.«
     
    Kreuthner ließ unter der Dusche das Wasser in seine Augen laufen und wusch den Dreck der Nacht vom Körper. Hinter dem Rauschen des Wassers hörte er, wie die Badezimmertür geöffnet wurde. Durch einen Spalt zwischen Duschvorhang und Wand sah Kreuthner, wie Margit im Morgenmantel vor dem Spiegel stand und Lippenstift auflegte. Unter dem Morgenmantel schauten zwei stämmige, bleiche Waden hervor, die ebenfalls bleichen Füße steckten in geblümten Badelatschen. Margit zog den Haargummi ab, schüttelte ihre blonde, von Dauerwellen verdorbene Mähne, legte den Kopf in den Nacken und schob den Morgenmantel auseinander, so dass der Blick frei wurde auf das, was sich darunter befand. Und das war keine Unterwäsche.
    »Alles klar unter der Dusche?« Margit versuchte, einen Blick auf Kreuthner zu erhaschen.
    »Alles wunderbar. Wie schaut’s mit der Hose aus?«
    »So schnell brauchen mir die doch nicht?«, flötete Margit.
    Kreuthner stockte der Atem. »Äääh ja, ich meine … es wär nur gut, wenn sie schon mal da wär, weil … weil … geh komm, sei so gut und hol sie.«
    Margit schwebte mit der Grazie, die korpulenten Menschen oft zu eigen ist, zur Badezimmertür und rief Kreuthner ein »Nicht weglaufen« zu, bevor sie die Tür schloss. Kreuthner meinte zu hören, wie sie den Schlüssel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher